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Venezianische Verlobung

Venezianische Verlobung

Titel: Venezianische Verlobung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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konnte  ein Mann tragen, ohne darauf verzichten zu müssen, notfalls nach der Übergabe die Beine in die Hand zu nehmen. Damit, dass er politisch erledigt sein würde, falls diese Photographien an die Öffentlichkeit gelangten, brauchten sie nicht zu drohen. Das verstand sich von selbst. Und für ein Kaiserreich, fand Maximilian, war der Preis, den sie forderten, alles in allem moderat. Sie – denn er hatte die Überzeugung gewonnen, dass es sich um mindestens zwei Erpresser handeln müsse. Dass jemand die Nerven hatte, einen österreichischen Erzherzog, der im Begriff war, Kaiser von Mexiko zu werden, im Alleingang zu erpressen, konnte er sich nicht vorstellen.
    Die Erpresser hatten den Campiello Madonna dell’Orto  als den Ort angegeben, an dem sie – in vier Tagen um Mitternacht – weitere Instruktionen hinterlassen würden, die zum Platz der eigentlichen Übergabe führen würden. Vermutlich, dachte Maximilian, mit Kreide an die Wand geschrieben. Eine Schnitzeljagd also quer durch das nächtliche Venedig – darauf würde es hinauslaufen. Das Problem war nur, dass weder er, Maximilian, noch Schertzenlechner oder Beust die Stadt besonders gut kannten – jedenfalls nicht so gut wie ein Einheimischer.
    Maximilian erhob sich, ging langsam auf die Balkontür  zu, öffnete sie aber nicht, sondern blieb vor den Scheiben stehen. Der Nebel hatte sich ein wenig gelichtet, aber dafür drückte ein scharfer auflandiger Wind gegen die Fenster.
    Auf dem Balkon, dachte Maximilian, würde er jetzt das  Brechen der Wellen am Fuß der Felsen hören, auf denen  sich Miramar erhob.
    Er schloss die Augen und massierte sich mit den Fingerspitzen die Schläfen. Manchmal drohten die Kopfschmerzen lediglich, so wie sich Gewitterwolken an einem Sommer nachmittag zusammenballten und dann wieder fortwehten,  um ihre Blitze und ihren Donner über eine andere Gegend auszuschütten. Aber diesmal war er sicher, dass die Kopfschmerzen kommen würden – um in seinem Schädel zu explodieren wie ein Gewitter mit allem, was dazugehörte, mit pulsierenden Blitzen, Donner und Hagelkörnern, so groß wie Gewehrkugeln.
    Maximilian nahm seine Finger von der Stirn. Er drehte  sich um, und in diesem Augenblick war die Stimme in seinem Hinterkopf wieder zu hören. Doch diesmal klang sie anders – nicht so fies wie vorhin, als sie den Vorschlag gemacht hatte, Schertzenlechner über die Balkonbrüstung zu entsorgen. Diesmal war es eine Frauenstimme, die in leicht bayerisch gefärbtem Deutsch zu ihm sprach, und sie hörte sich fast wie die Stimme seiner kaiserlichen Schwägerin an.
    Das, was sie ihm vorschlug, war ein wenig überraschend.
    Auf den ersten Blick schien der Plan absurd zu sein. Aber er war, wenn man darüber nachdachte, absolut plausibel.
    Maximilian sah Schertzenlechner scharf an. «Haben Sie  etwas zu schreiben?» Er registrierte befriedigt, dass Schertzenlechner eine fast militärische Haltung eingenommen hatte. «Dann notieren Sie.»
    Maximilians Instruktionen kamen flüssig und konzentriert. Er diktierte die Kommas mit – wie bei Stabsbefehlen.
    Die Überraschung in Schertzenlechners Gesicht ignorierte er. Da es sich um einen Befehl handelte, gab es keine Diskussion.
    Er hätte die Instruktionen auch mündlich erteilen können, denn Schertzenlechners Gedächtnis war ausgezeichnet.
    Aber Maximilian zog es vor, wichtige Anweisungen zu diktieren. Er fand, das gab seinen Instruktionen jedes Mal einen Einschlag ins Staatsmännische. 

18

    Tron stand am Fenster seines Büros in der questura und sah zu, wie zwei uniformierte Sergenti einen Aktenschrank auf ein Ruderboot hievten, das am Rio di San Lorenzo festgemacht hatte. Es hatte im Morgengrauen wieder angefangen zu regnen, und vor dem dunkel schimmernden Rio, dessen Oberfläche von den einschlagenden Regentropfen gespren kelt war, wirkten die Gestalten der Sergenti wie Silhouetten aus nassem Papier. Der Schrank war viel zu groß für das Ruderboot, und so stellten ihn die Männer schließlich aufrecht auf die vorderen Sitzbretter. Dann bewegte sich das Boot langsam und schwankend den Rio di San Lorenzo hinunter, bis der Regen es verschluckte.
    Tron trat vom Fenster zurück und warf einen Blick auf  die Uhr, die neben einem Portrait des Kaisers an der Wand hing. Kurz nach elf. Er fragte sich, ob Schertzenlechner auf den Briefumschlag, der an der Rezeption des Danieli auf ihn wartete, so reagieren würde, wie er es sich erhoffte.
    Der Umschlag enthielt die eine Hälfte der in

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