Venezianische Versuchung
die Lippen und drückte einen Kuss darauf. „Ist Ihnen klar, Jane, dass eine Frau, die sich gerade eine Rede wie die meine angehört hat, etwas in der gleichen Art darauf erwidern sollte?“
„Etwas in der gleichen Art?“ Unsicher schaute sie ihn an.
Er nickte. „Erwidern Sie meine Zuneigung, Jane? Mögen Sie meine Gesellschaft? Oder bin ich für Sie nichts weiter als ein alter Tyrann, der Ihnen die unangenehmste Nacht Ihres Lebens beschert hat?“
„Ein Tyrann!“, rief sie fassungslos aus. „Eine unangenehme Nacht?“ Wie hatte er ihre Worte nur so missverstehen können! „Die vergangene Nacht war die schönste und vollkommenste, die ich mir vorstellen kann. Und Sie sind ganz gewiss kein alter Tyrann.“
„Ah, das ist gut.“ Er lächelte zufrieden. „Sie machen mir Hoffnung, meine Liebe.“
„Hoffnung!“ Entrüstet löste sie ihre Hand aus seiner und versetzte ihm einen leichten Schlag auf die Schulter. „Ich könnte Ihnen sehr viel mehr bieten als ein wenig Hoffnung, wenn Sie nur nicht so … so …“ Sie brach abrupt ab, und das Blut stieg ihr in die Wangen. Wie auch immer sie den Satz hatte zu Ende bringen wollen, ihre Worte wären für eine höfliche Unterhaltung ganz gewiss unpassend gewesen. Richard musste sich irren, wenn er behauptete, die Sprache sei wie eine gute Freundin für sie.
„Wenn ich nicht wie wäre?“, hakte er nach. „Spannen Sie mich nicht auf die Folter, sondern verraten Sie mir, was Sie sagen wollten.“
Jane bemerkte, dass sein Lächeln sich verändert hatte. Bestimmt wollte er sie nur ein wenig ärgern. Aber sie war nicht in der Stimmung dafür. Im Moment wollte sie weder von ihm noch von sonst irgendwem geärgert werden. Also würde sie ihm einfach sagen, was sie eben hinuntergeschluckt hatte. „Wenn Sie nicht so provozierend, so selbstgerecht, aufgeblasen und unausstehlich …“, begann sie.
Ehe sie ihren Satz beenden konnte, hatte Aston sie um die Taille gefasst und sie mit Schwung auf seinen Schoß gehoben. Erschrocken quietschte sie auf. Doch er zog sie nur noch fester an sich. Das Federbett rutschte ihr von den Schultern, als sie versuchte, sich gegen Richard zur Wehr zu setzen.
Dann trafen sich ihre Blicke. Und Jane begriff, dass Richard sie küssen wollte.
Aufs Neue …
Dieser Kuss allerdings würde anders sein als die früheren. In der vergangenen Nacht hatte der Mond sich im Wasser gespiegelt und vielleicht war Richard doch etwas beschwipst gewesen. Jetzt allerdings, jetzt in ihrem bescheidenen kleinen Schlafzimmer, gab es nichts Romantisches und nichts, was einen Kuss hätte entschuldigen können. Aber das war noch nicht alles … Draußen auf der Brücke hatte sie einen warmen Mantel über ihrem Kleid getragen und darunter Unterwäsche und ein Korsett. Ihr Körper war durch mehrere Lagen von Stoff geschützt gewesen.
Dieser Schutz fehlte nun gänzlich. Die Federbett lag auf dem Boden, und sie saß, nur in ihr dünnes Nachthemd aus Leinen gehüllt, auf Richards Schoß. Mit seinen muskulösen Armen umfing er ihren Rücken. Die Knöpfe seiner Weste drückten ein wenig unangenehm gegen ihre Brust. Ihre Oberschenkel berührten die seinen. Und ihr Gesäß … O Gott, es war verwirrend und beunruhigend, so deutlich zu spüren, wie sehr Richard sie begehrte.
Ich bin beinahe nackt, fuhr es Jane durch den Kopf. Eine Mischung aus Verlegenheit, Scham und Aufregung erfüllte sie.
Ja, sie war beschämt, sie war verlegen, aber sie war auch erregt. Statt zu überlegen, wie sie sich aus Richards Umarmung befreien könnte, stellte sie sich vor, wie es wäre, ihn zu küssen. Der Wunsch, dies zu tun, wurde immer drängender. Gleichzeitig allerdings war ihr bewusst, dass sie das Schicksal herausforderte, wenn sie Richard in dieser Situation zum Austausch von Zärtlichkeiten ermunterte. Sie wusste sehr gut, welche Gefahren daraus erwachsen konnten. Schließlich hatte sie viele Jahre damit zugebracht, ihre Schützlinge vor eben diesen Gefahren zu warnen. Niemals allerdings hatte sie gedacht, dass es so schwer sein könne, vernünftig zu sein.
Sie versuchte nicht länger, von Richards Schoß zu klettern, sondern wurde ganz still. Langsam und zunächst noch zögernd legte sie ihre Hand auf die seine, hob diese an den Mund, presste die Lippen darauf, so wie er es zuvor bei ihr getan hatte. Unter halb gesenkten Lidern hervor beobachtete sie seine Reaktion.
Es war eine ganz erstaunliche Reaktion. Eine, die es verdient hatte, beobachtet zu werden. Richards Miene
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