Venezianische Versuchung
gefiel ihm, Jane an seiner Seite zu haben. Nicht nur, weil sie eine attraktive Frau war. Es war so angenehm, mit ihr zusammen zu sein. Keiner brauchte dem anderen etwas vorzuspielen. Es war eher so, als seien sie seit Langem Freunde. Selbst wenn sie einen Monolog über irgendwelche Bronzepferde hielt, langweilte er sich nicht. Ja, tatsächlich begann er sich zu fragen, ob ihre gouvernantenhaften Lektionen eine Art waren, ihn zu necken. Sie war klug. Und er hatte von jeher eine Vorliebe für kluge hübsche Frauen gehegt.
„Ja, Geschäfte“, bestätigte er, als er ihr den Arm bot. „Ich dachte, es wäre nett, ein paar Geschenke für Mary und Diana einzukaufen. Nur einige Kleinigkeiten, damit sie wissen, dass ihr alter Vater sie nicht vergessen hat.“
Sie legte die Hand auf seinen Arm und lächelte. Dann meinte sie ohne den geringsten Vorwurf: „Sie verwöhnen Ihre Töchter viel zu sehr. Die Mädchen würden ihren Vater nie vergessen, selbst wenn er sie nicht mit Geschenken überschüttete. Außerdem werden Sie feststellen müssen, Richard, dass die Preise, die man in diesen Geschäften verlangt, selbst Ihnen hoch erscheinen.“
„Ich bin vermögend genug, um mir darüber keine Sorgen machen zu müssen; schon gar nicht, wenn es um meine Töchter geht.“ Einen Moment lang bedeckte er Janes kleine Hand mit seiner großen. Er war sehr zufrieden mit der Situation. Gut gelaunt schlenderte er los. Vorerst wollte er Jane nicht verraten, dass er noch etwas anderes im Sinn hatte. „Die Signora erwähnte, dass man höchstens in Paris schönere Dinge für Damen findet.“
Von jeher hatte Richard seine Töchter mit Geschenken überhäuft. Nie war er von einem Besuch in London zurückgekehrt, ohne ihnen eine Kleinigkeit mitzubringen. Deshalb kannte er sich im Sortiment der Geschäfte, die sich auf Damenartikel spezialisiert hatten, besser aus als die meisten Gentlemen. Nun war er neugierig, ob die venezianischen Kaufleute andere Dinge anboten als die englischen.
Sie bogen in eine der Geschäftsstraßen ein. Schon der erste Blick zeigte Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede zu London. Es herrschte reger Betrieb. Und es war offensichtlich, dass die reichen venezianischen Damen, die von ihren Dienstboten begleitet hier einkauften, sich ebenso für luxuriöse Kleider und wertvollen Schmuck begeisterten wie die englischen. Allerdings bezweifelte Aston, dass es sich tatsächlich um Damen handelte. Viele von ihnen gehörten – wie er annahm – zu den Kurtisanen, für die die Stadt so berühmt war.
Niemand hätte die vernünftig und bescheiden angezogene Jane für eine von ihnen halten können. Dennoch erwachte sofort in Richard das Bedürfnis, sie zu beschützen, und er achtete sorgfältig darauf, dass sie dicht an seiner Seite blieb. So flanierten sie von Schaufenster zu Schaufenster, und voller Staunen betrachtete Jane die Kostbarkeiten um sie herum. Wie wunderschön die Goldschmiedearbeiten waren! Edelsteine und Perlen waren kunstvoll in schwere Goldfassungen eingearbeitet. Und dort in dem Schusterladen gab es zierliche Schuhe aus Ziegenleder mit bunten Absätzen. Aus einem winzigen Laden drang der Duft verschiedener verführerischer Parfüme.
Besonders fasziniert allerdings war Jane von einem Geschäft, in dem riesige Hüte verkauft wurden, wie sie von den Venezianerinnen im Sommer als Schutz gegen die Sonne getragen wurden, wenn sie auf den Dachterrassen ihrer Häuser Gäste empfingen.
Nicht weit von dem Hutladen entfernt hatte sich ein Händler niedergelassen, der Karnevalskostüme verkaufte. Es gab hinreißende Roben, fantasievolle Kleidung für Herren und eine große Auswahl an schwarz-weißen Halbmasken zum Teil mit schnabelförmigen Nasen versehen, die von beiden Geschlechtern mit Vorliebe verwendet wurden, um sich zu verkleiden.
„Noch nie habe ich so viele wundervolle Dinge gesehen“, gestand Jane. „Aber ich wage es kaum, über die Preise nachzudenken.“
„Zermartern Sie sich nicht den Kopf deshalb. Wir werden einfach eines der Geschäfte betreten und uns nach den Preisen erkundigen. Sie sollten sich auch ein wenig aufwärmen, Jane, denn ich möchte auf keinen Fall, dass Sie sich in einen Eiszapfen verwandeln. Ich kann durch Ihre Handschuhe hindurch spüren, dass Sie kalte Finger haben.“
„Ach, Richard“, sie krauste ihre von der Kälte gerötete Nase, „sie sollten sich wirklich keine Sorgen um mich machen.“
„Und warum nicht?“ Er führte sie in Richtung des nächstgelegenen
Weitere Kostenlose Bücher