Venezianische Versuchung
tun wir alle! Insbesondere, wenn wir beabsichtigen, einen Maskenball zu besuchen.“
Jane, die an die vielen Kurtisanen in der Stadt dachte, schüttelte den Kopf. „Ich bin Engländerin und werde mich wie eine solche verhalten.“
Die drei Venezianerinnen und auch der Friseur runzelten die Stirn und begannen, sich aufgeregt zu unterhalten. Schließlich sagte Signora della Battista: „Seine Gnaden möchte, dass Sie sich heute wie eine venezianische Dame verhalten. Eine solche würde auf keinen Fall ungeschminkt an einem Ball teilnehmen. Das wäre fast so, als verlange man von ihr, barfuß zu gehen.“
„Also gut.“ Jane gab sich geschlagen. „Aber bitte übertreiben Sie nicht!“
Man bat sie, sich umzudrehen, und der Figaro begann mit seinem Werk.
„Ah“, sagte die Signora schließlich, „Sie sind wunderschön! Überzeugen Sie sich selbst! Schauen Sie in den Spiegel!“
Jane, die die Bemerkung für ein höfliches Kompliment gehalten hatte, wandte sich um – und riss verwundert die Augen auf. Himmel, es war vollkommen unnötig, eine Maske zu tragen. Niemand würde sie erkennen. Sie erkannte sich ja selbst nicht! Nicht nur, dass sie unglaublich schlank wirkte. Auch ihr Gesicht war vollkommen verändert. Ihre Augen wirkten riesig, ihre Wangen waren rosig, und ihre Brüste … O Gott, warum war ihr das nicht schon vorher aufgefallen? Das Kostüm war viel zu tief ausgeschnitten! „Ich brauche ein Brusttuch“, murmelte sie.
„Unsinn!“, riefen die Frauen im Chor. Und Signora della Battista fügte hinzu: „Sie sind eine schöne Frau, kein Schulmädchen, und Sie brauchen sich Ihres Körpers nicht zu schämen.“
„Aber …“, stammelte Jane.
„Denken Sie daran, dass Seine Gnaden sich in Sie verliebt hat, obwohl Sie alles getan haben, um Ihre Schönheit zu verbergen. Er wird sich freuen, Sie endlich so hinreißend zu sehen, wie Sie wirklich sind. Er wird Sie begehrenswert finden.“
Unter der Schminke errötete Jane. Bisher hatte sie geglaubt, Richard sei ganz zufrieden mit ihrer Erscheinung. Aber hatte die Signora womöglich recht? Fand Richard sie nicht wirklich attraktiv, wenn sie ihre eigenen Kleider trug? Hatte er ihr das Kostüm deshalb geschenkt? Die Vorstellung war äußerst unangenehm.
„Ich werde …“, begann Jane. „O Richard!“
Fertig angekleidet stand er an der Tür. Ein langer Umhang verdeckte sein Kostüm zum größten Teil, sodass man nur erahnen konnte, wie prächtig die mit Edelsteinen bestickte weite Hose war. Seine Miene drückte Bewunderung und Erstaunen aus. „Jane“, sagte er leise, „meine wunderschöne Jane! Schauen Sie nur in den Spiegel!“
Das tat sie nicht. Stattdessen beobachtete sie verwundert, wie Richard sie anschaute. Sein Blick drückte – genau wie die Signora gesagt hatte – ein solches Verlangen aus, dass Jane noch tiefer errötete. Nie zuvor hatte ein Mann sie so angesehen! Es war … beunruhigend.
Über Signora della Battistas Gesicht huschte ein wissendes Lächeln. Mit einer graziösen Handbewegung schickte sie alle aus dem Zimmer, ging auch selbst hinaus und schloss die Tür.
„Was ist los, Liebste?“, fragte Richard, sobald sie allein waren. „Du bist aufgeregt. Warum?“
Sie senkte die Lider. „Es ist alles in Ordnung.“
Er schüttelte den Kopf. „Man könnte meinen, du würdest gleich in Tränen ausbrechen. Und das muss einen Grund haben. Also, Jane, was ist es? Gefällt dir das Kostüm nicht?“
Sie wandte sich ab, und dabei fiel ihr Blick erneut auf den Spiegel. Wie fremd sie aussah in dem reich verzierten, tief ausgeschnittenen Kleid mit dem weiten Rock! Es passte so gar nicht zu ihr und dem Bild, das sie von sich selbst hatte. Sie holte tief Luft und sagte: „Es war sehr großzügig von dir, mir eine so kostbares Robe zu schenken. Aber … Aber ich kann nicht … O Richard, möchtest du, dass ich mich immer so kleide? Hast du mir das Kostüm gegeben, weil es dir gefällt, mich in … in einer solchen Aufmachung zu sehen?“
Verwirrt starrte er sie an. „Als Colombina?“
„Nein.“ Sie streckte die Arme aus und drehte sich um die eigene Achse. „Als Frau in einem so … so freizügig geschnittenen Kleid. Ach, Richard, ich erkenne mich gar nicht wieder in diesem Kostüm! Ich würde nie einen solchen Stoff wählen. Und außerdem … Also, ich bin doch halb nackt!“
Er trat zu ihr und schaute sie lächelnd an. „Mein kleiner Dummkopf! Ich finde dich in jedem Kleid hinreißend. Dieses Kostüm habe ich nur gewählt, weil
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