Venezianische Versuchung
diese Robe wird sie zu einem Teil von Venedig machen. Sie wird wenigstens einen Abend lang ganz den Zauber der Stadt in vollen Zügen genießen können. Und deshalb wird sie mein Geschenk akzeptieren.“
„Sie wird Ihnen sehr dankbar sein“, meinte Wilson abschließend. „Nicht viele Herren zeigen sich ihren Untergebenen gegenüber so großzügig.“
Jetzt war es Aston, der die Stirn runzelte. Natürlich hielten Potter und Wilson ihn für verrückt. Sie ahnten ja nicht, dass Jane längst nicht mehr seine Angestellte, sondern die Frau war, die er mehr als alles in der Welt liebte. Während sie für die anderen noch immer die ehemalige Gouvernante seiner Töchter war, war sie für ihn längst etwas Einzigartiges geworden. Doch das – daran zweifelte Richard nicht – würde weder der Kammerdiener noch der Sekretär nachvollziehen können. Für die beiden war es unvorstellbar, dass der Duke of Aston sich in eine frühere Bedienstete verlieben könnte. Den meisten seiner Bekannten würde es genauso gehen. Er hoffte allerdings, Mary und Diana würden mehr Verständnis für seine Entscheidung aufbringen.
Was seine Mitmenschen von ihm dachten, interessierte ihn überhaupt nicht. Jane hatte ihn glücklicher gemacht, als er je für möglich gehalten hätte. Er war unter keinen Umständen bereit, auf dieses Glück zu verzichten. Im Gegenteil, er wollte alles tun, um sie ebenso glücklich zu machen. Damit wollte er beginnen, indem er ihr dieses Karnevalskostüm schenkte.
Mit dem Finger stieß er eines der silbernen Glöckchen an, sodass es einen leisen Ton von sich gab.
Es war so leicht, Jane eine Freude zu machen! Nie schien sie damit zu rechnen, dass jemand ihr etwas Gutes tun würde! Er hatte nicht vergessen, wie glücklich sie ausgesehen hatte, als er ihr den Muff kaufte. Jetzt freute er sich schon darauf, ihr Gesicht zu beobachten, wenn er ihr das Kostüm überreichte.
Und dann würde er mit ihr ein Ridotto, einen Karnevalsball, besuchen.
Jane hatte sich entschlossen, zu Fuß zur Ca’ Battista zurückzukehren. Sie hatte sich gesagt, dass sie einen so schönen Tag – fast lag ein Hauch von Frühling in der klaren Luft – ausnutzen müsse. Doch nun, da sie die letzte Brücke überquerte, gestand sie sich ein, dass sie nur deshalb keine Gondel genommen hatte, weil sie das zu sehr an die Ausflüge mit Richard erinnert hätte.
Zunächst hatte sie alles getan, um sich von den Gedanken an ihn abzulenken. Sie hatte sich entschieden, nur Orte aufzusuchen, an denen sie nicht gemeinsam mit ihm gewesen war. Sie hatte sich auf die Gemälde und sonstigen Kunstwerke konzentriert und sich ins Gedächtnis gerufen, wie glücklich sie sich schätzen konnte, dies alles zu sehen. Eigentlich hätte es ihr leichtfallen müssen, sich allein zu vergnügen. Schließlich hatte sie seit vielen Jahren niemanden gehabt, mit dem sie Freud und Leid hätte teilen können. Doch plötzlich schien jeder Fleck in Venedig untrennbar mit Richard Farren verbunden zu sein.
Es war zum Verzweifeln!
Also hatte sie ihre Pläne geändert.
Natürlich war es falsch gewesen, ein Pelzgeschäft aufzusuchen. Natürlich hatte sie in dieser Umgebung daran denken müssen, wie glücklich sie gewesen war, als Richard ihr den Muff schenkte, und wie sehr er sich über ihre Begeisterung gefreut hatte.
Auch dass sie in einem Café eine Tasse Schokolade getrunken hatte, war nicht klug gewesen. Denn es hatte sie an jenen ersten Morgen neben dem Kachelofen erinnert.
Diese Erfahrungen hätten sie eigentlich davon abhalten sollen, auch noch den Reliquienschrein in einer der Kirchen anzuschauen, die sie mit Richard besucht hatte. Aber sie hatte es dennoch getan.
Unwillkürlich seufzte sie. Wenn sie eine Gondel sah, war ihr, als könne sie Richards kräftige Gestalt an ihrer Seite spüren. Wenn sie über eine geschwungene Brücke ging, war ihr, als höre sie sein Lachen. Sie würde sich wohl damit abfinden müssen, dass in Zukunft jede Erinnerung an Venedig zugleich eine Erinnerung an Richard sein würde. Die Vorstellung schmerzte. Und doch hätte Jane um nichts in der Welt diese wundervollen Tage zu zweit missen wollen.
Sie hatte die Ca’ Battista erreicht, betrat das Haus durch den Hintereingang und ging den Flur entlang, an dem die Küche und andere Räume lagen, in denen Signora della Battistas Bedienstete eifrig mit den Vorbereitungen für das Abendessen beschäftigt waren. Jane fragte sich, ob Richard wohl gemeinsam mit ihr speisen würde. Vielleicht war er
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