Venezianische Versuchung
ich dachte, du würdest dann endlich begreifen, wie wunderschön du bist.“
Ihre Augen wurden feucht, als er ihr den Arm um die Taille legte. „Ich bin nicht schön“, murmelte sie.
„O doch! Und ich möchte, dass du es endlich mit eigenen Augen siehst. Vergiss, was du bisher geglaubt hast. Schau dich an! Du hast einen Mund, der wie geschaffen zum Lächeln und zum Küssen ist. Deine Haut erinnert mich an einen samtweichen goldenen Pfirsich. Deine Figur ist unglaublich weiblich. Du hast alles, was eine bezaubernde Frau ausmacht. Du bist keine dieser stolzen Schönheiten, das stimmt. Aber dafür besitzt du Herzenswärme.“
Sie versuchte, sich so zu sehen, wie er sie beschrieb. Sicher, sie musste zugeben, dass sie anders wirkte als in England. Das lag wahrscheinlich nicht nur an dem Kleid, sondern auch an Venedig überhaupt. War es darüber hinaus wirklich möglich, dass ihre Herzenswärme ihr eine besondere Art von Schönheit verlieh? Vielleicht … Aber was sollte das Gerede von einem Mund, der zum Küssen geschaffen war?
„Für mich bist du vollkommen, auch wenn du nicht geschnürt bist“, fuhr Richard fort. „Ich weiß schließlich, wie elegant und weiblich dein Körper ist. Wenn ich dich in den Armen halte, möchte ich dich nie mehr loslassen.“ Er stellte sich hinter sie und zog sie an sich. Dann beugte er sich nach vorn, um ihre Schulter zu küssen.
Aufseufzend legte sie den Kopf in den Nacken und hob die Hand, um Richards Wange zu berühren.
„Du liebst mich, Jane“, flüsterte er, drehte den Kopf zur Seite und presste die Lippen auf ihr Handgelenk. „Du liebst mich. Und ich liebe dich. Das ist die Wahrheit, und es ist wundervoll. Was könnte es Schöneres auf der Welt geben?“
„O Richard …“, flüsterte sie, während sie sein und ihr Abbild im Spiegel betrachtete. In Richards Augen stand noch immer diese heiße Begierde, aber das war nicht alles. Ja, er liebte sie. Das verriet sein Blick ganz deutlich. Das verrieten auch seine Zärtlichkeiten und ebenso seine Stimme … Er begehrte sie nicht, weil sie ein Kleid trug, das ihre Reize zur Schau stellte, sondern weil er sie liebte und wusste, dass sie seine Liebe erwiderte.
Sie konnte den Blick nicht von ihrem eigenen Spiegelbild wenden. Denn jetzt sah sie es auch: Ja, sie war schön. Es musste die Liebe sein, die sie so schön machte!
Schließlich wandte sie sich zu ihm um. Wie kam es nur, dass dieser Mann stets genau wusste, was er ihr sagen musste? Wie kam es nur, dass es ihm immer wieder gelang, sie zu überraschen und sie glücklich zu machen? O Gott, wie sehr sie ihn liebte!
„Geht es dir gut?“
„Wenn ich mit dir zusammen bin, geht es mir immer gut“, sagte sie leise.
„Das glaube ich nicht“, widersprach er. „Aber ich bin bereit, so zu tun, als wäre es wahr.“
Jane stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen kleinen Kuss auf den Mund. „Glaubst du mir jetzt?“ Sie war selbst erstaunt, wie leicht es ihr fiel, mit ihm zu flirten. Hatte das Kostüm sie zumindest ansatzweise in Colombina verwandelt?
Als habe er ihre Gedanken gelesen, meinte Richard: „Natürlich glaube ich dir, meine Colombina. Besonders wenn du so nette Beweise erbringst.“ Damit zog er sie fester an sich und küsste sie richtig.
Sie küssten sich lange und leidenschaftlich. Doch Jane spürte, dass Richard sich trotz allem zurückhielt. Er wollte sich nicht in der Hitze verlieren, die zwischen ihnen entflammt war und immer größer wurde. Schließlich löste er sich aufseufzend von ihr. Jane verstand sehr gut, was in ihm vorging. Er hatte einiges auf sich genommen, um diesen Abend vorzubereiten. Und so wundervoll die Aussicht, hierzubleiben und die Zweisamkeit zu genießen, auch war, die Vorstellung, auf den Maskenball zu verzichten, gefiel beiden nicht.
„Später, Arlecchino“, flüsterte Jane atemlos und legte ihm zwei Finger auf die Lippen. „Später werden wir zwei miteinander vollkommen glücklich sein.“
Er hielt ihre Hand fest, küsste erst jeden einzelnen ihrer Finger und strich dann zart mit den Lippen über ihr Handgelenk.
Ein Schauer des Verlangens überlief sie.
„Ja, später, meine Colombina“, murmelte er. „Später …“
19. KAPITEL
S chon kurz nach seiner Ankunft in Venedig hatte Richard eine schriftliche Einladung zu dem Ridotto bekommen. Zunächst hatte er gezögert. Und nun erschien ihm der Maskenball ebenso merkwürdig wie beinahe alles, was er bisher in der Lagunenstadt kennengelernt hatte. Hier frönte
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