Venezianische Versuchung
und schaute sich stirnrunzelnd um. „Ein merkwürdiger Spielsaal“, brummte er.
„Mir gefällt es“, erklärte Jane. „Durch die Masken wirkt alles so geheimnisvoll.“
„Geheimnisvoll sind hier wahrscheinlich nur die Summen, die man hier loswird.“
Jane lachte. „Du hast doch hoffentlich keine schlechte Laune? Ich versichere dir, dass dies viel schöner ist als ein Schulraum voller Kinder, die keine Lust zum Lernen haben.“
„Um Himmels willen, sprich doch jetzt nicht von Schulräumen!“ Hatte sie etwa darauf anspielen wollen, dass sie in Zukunft wieder als Gouvernante würde arbeiten müssen? Die Vorstellung behagte ihm nicht. Aber noch konnte und wollte er mit ihr nicht über seine Pläne sprechen.
„Ich möchte wetten, dass Colombina keine Ahnung hat, wie es in einem Schulzimmer aussieht.“
„Wie wahr!“ In Gedanken versunken, öffnete Richard den Verschluss seines Umhangs.
„Signore!“ Neben ihm tauchte ein Lakai auf und gab ihm zu verstehen, dass er den Umhang nicht ablegen dürfe.
Da man ihm das bereits mit der Einladung mitgeteilt hatte, nickte Richard. „Ich habe einfach nicht daran gedacht“, meinte er entschuldigend. „Wollen wir ein Spiel wagen, meine Colombina?“
Sie zuckte unmerklich zusammen. „Du willst spielen? Um Geld?“
Ihm fiel ein, dass sie die Tochter eines Landpfarrers war. Also beruhigte er sie mit einem kleinen Lächeln: „Keine Sorge. Ich werde nur eine Runde Pharo spielen. Du brauchst keine Angst zu haben, dass ich mein Vermögen riskiere.“
„Dann bist du ein geübter Pharo-Spieler?“, fragte sie skeptisch. „Ich habe gehört, es sei ein sehr gefährliches Spiel.“
„Nur, wenn man es versäumt, rechtzeitig aufzuhören.“ Er hatte sich nie dem Rausch hingegeben, den eine Glückssträhne hervorrufen konnte – bis plötzlich das Glück umschlug und man alles verlor. Dennoch spielte er mit einer gewissen Begeisterung, weil es seinem Charakter entsprach, sich mit anderen zu messen. „Hab keine Angst, mein Schatz“, wiederholte er. „Ich werde Aston Hall nicht aufs Spiel setzen.“
„Aber Pharo ist ein so … schlimmes Spiel. Was sollen deine Töchter sagen, wenn sie davon erfahren?“
„Ich vermute, sie würden mich bitten, ihnen die Regeln zu erklären“, meinte er lachend. „Für mich ist dies eine Art Sport. Wenn ich verliere, werde ich rechtzeitig aufhören. Und wenn ich gewinne, werde ich die Summe einem venezianischen Waisenhaus stiften.“
Jane gab sich geschlagen.
Richard steuerte auf einen der Pharo-Tische zu. „Bleib hinter meinem Stuhl stehen, Colombina, ich bitte dich darum. Du wirst mir Glück bringen – bella fortuna, wie man hier sagt.“
„Bella fortuna, in der Tat“, wiederholte sie überrascht. „Wo hast du das gelernt?“
Er antwortete nicht, sondern ließ sich gut gelaunt am Tisch nieder. Es gefiel ihm sehr, dass Jane sich Sorgen um ihn machte. Das wunderbare Gefühl, einer Frau wirklich etwas zu bedeuten, hatte er im Laufe der Jahre fast vergessen. Kein Wunder, dass Janes Gesellschaft ihn so glücklich machte!
Er war glücklich – und er hatte Glück.
Richard hatte sowohl den Bankhalter als auch den Croupier kurz gemustert und dann ein paar Münzen vor sich auf den Tisch gelegt. Als er seine Karten entgegennahm, warf er einen Blick zu den anderen Spielern. Da alle maskiert waren, würde er von ihren Mienen nichts, aber auch gar nichts, ablesen können. Dieses Pharo-Spiel würde also ein echtes Glücksspiel sein.
Jane beobachtete aufmerksam, was geschah. Doch tatsächlich war es ihr nicht möglich, die Regeln des Spiels zu entschlüsseln. Hin und wieder nickte der Croupier Richard zu, was offenbar hieß, dass er gewonnen hatte, denn das Häufchen Münzen vor ihm wuchs.
„O mein Gott!“, flüsterte sie. Alle anderen am Tisch hatten sich von ihrem Teil ihres Geldes trennen müssen, während Richard seinen Einsatz vervielfacht hatte. Sie beugte sich über seine Schulter und flüsterte ihm ins Ohr: „Du gewinnst unentwegt.“
Er nickte kurz und konzentrierte sich sogleich wieder auf das Spiel. Sein Herzschlag hatte sich vor Aufregung beschleunigt. Doch die Maske verbarg sein Gesicht, sodass niemand auch nur erahnen konnte, was in ihm vorging.
Erneut gewann er.
Als der Croupier ihm seinen Gewinn hinschob, begannen die Mitspieler Bemerkungen auszutauschen. Irgendjemand stieß einen leisen Pfiff aus. Für Richard war klar, dass man ihn beneidete. War da nicht bereits so etwas wie Misstrauen in den Blicken
Weitere Kostenlose Bücher