Venezianische Versuchung
Mann verlangte, schüttelte den Kopf. „Die Dame wünscht zu gehen, und ich gehorche.“ Damit reichte er Jane den Arm.
Wenig später traten die beiden auf die Straße hinaus. Richard war ein wenig enttäuscht darüber, dass er das Spiel mitten in einer unglaublichen Glückssträhne hatte abbrechen müssen. Aber für ihn gab es nichts Wichtigeres als Janes Wohlergehen. Und jetzt, da sie die Maske abnahm, konnte er sehen, dass offenbar etwas sie bedrückte. Tatsächlich spiegelte nicht nur ihre Miene, sondern ihre gesamte Körperhaltung ihren Kummer wider. Liebevoll ergriff er ihre Hand. „Was ist los, Jane? Soll ich einen Arzt für dich rufen lassen?“
„Nein, nein, nur keine unnötige Aufregung. An der frischen Luft werde ich mich bestimmt bald wohler fühlen.“
Schweigend schritten sie die Straße am Kanal entlang. Viele Gondeln lagen hier vertäut, denn wenn der Ball sich erst dem Ende zu neigte, würden unzählige Menschen nach Hause wollen. Noch aber war es so früh, dass der Gondoliere, den Richard beauftragt hatte, nirgends zu sehen war. In diesem Moment kam ein kleiner Junge auf sie zugelaufen. Er musste erkannt haben, dass es sich bei dem Paar um Ausländer handelte, denn er fragte in gebrochenem Englisch, ob er ihnen eine Gondel besorgen solle.
Richard nickte und warf ihm eine Münze zu, woraufhin der Knabe sich eiligst davonmachte.
„Ich hoffe nur, er kommt zurück“, sagte Richard. Er nahm seine Maske ab und wandte sich, noch immer sehr besorgt, Jane zu. „Möchtest du dich setzen, Liebste?“
Tief atmete sie die kühle Nachtluft ein. Ihr Herzschlag hatte sich beruhigt, und sie begann, sich besser zu fühlen. „Ich glaube, es waren nur die vielen Menschen und die schlechte Luft. Mach dir keine Sorgen um mich.“
Richard schenkte ihren Beteuerungen keinen Glauben. Er konnte ihre Unruhe spüren. Gewiss klammerte sie sich nicht ohne Grund an seinen Arm. „Ich werde dich so schnell wie möglich nach Hause bringen. Und dann solltest du sogleich zu Bett gehen. Diesen Rat würde dir doch auch eine gute Gouvernante geben, oder?“
„O ja.“ Sie versuchte zu lächeln. Doch stattdessen sprudelten plötzlich Worte aus ihr heraus, die sie gar nicht hatte sagen wollen. „Ich habe Signor di Rossi getroffen und war so dumm, ihm zu vertrauen. Doch statt mich zum Buffet zu führen, hat er versucht … Er hat … Ich habe mich gewehrt und konnte ihm entkommen. Aber ich mache mir solche Vorwürfe!“
Heißer Zorn stieg in Richard auf. Himmel, wie er diesen Venezianer hasste! „Ich werde zurückgehen und diesem Bastard zeigen, wie er sich …“
„Nein, das wirst du nicht“, unterbrach Jane ihn mit fester Stimme. „Ich wollte ihn gar nicht erwähnen, weil ich auf jeden Fall verhindern möchte, dass du dich unvernünftig benimmst. Vergiss di Rossi! Ich bin sicher, wir beide werden diesem Gentleman nie wieder begegnen.“
„Gentleman?“, schnaubte Richard. „Dieser Kerl ist kein Gentleman!“ Die Vorstellung, dass Jane sich ganz allein gegen den Schurken hatte wehren müssen, machte ihn wütend. „Es wäre meine Aufgabe gewesen, dich zu beschützen.“
Da in diesem Moment der Junge auftauchte und ihnen mit einer Handbewegung zu verstehen gab, dass sie ihm folgen sollten, wechselte Jane das Thema: „Beabsichtigst du wirklich, deinen Gewinn zu spenden?“
„Ja, ich habe es dir doch versprochen. Die Waisenkinder brauchen das Geld. Ich hingegen besitze mehr als genug.“
Sie schmiegte sich an sich. „Du bist ein sehr guter Mensch, Richard.“
Wie immer freute er sich, wenn sie ihn lobte. Aber seine Hauptaufmerksamkeit galt der Umgebung. Der Junge hatte sie vom beleuchteten Campo San Moise fortgeführt, und sie befanden sich nun in einer finsteren Gasse. Außer ihren Schritten und dem Plätschern des Wassers war nichts zu hören. Doch irgendetwas machte Richard misstrauisch. Vorsichtshalber legte er die Hand an den Griff seines Degens. Gefahren tauchten oft auf, wenn man nicht damit rechnete.
Manchmal aber waren sie plötzlich da, obwohl man vorbereitet war.
Zwei Maskierte sprangen aus einem dunklen Hauseingang, und Jane sah, wie ihre langen Dolche im Licht des Mondes aufblitzten. Sie wollte aufschreien, doch in diesem Moment stieß Richard sie hinter sich, um sie mit seinem Körper zu schützen. Der Schrei blieb ihr in der Kehle stecken, und sie schlug die Hände vor den Mund.
„Das Geld, Engländer!“, forderte der eine Mann in gebrochenem Englisch. „Das Geld vom Pharo-Spiel!“
Und
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