Venezianische Versuchung
annehmen, dass du eine Amputation planst.“
„O Richard, über so etwas darf man nicht scherzen“, schalt sie ihn. Doch dann hellte ihre Miene sich auf. An der Tür stand Signora della Battista mit einem schlanken, ganz in Schwarz gekleideten Mann, der eine schwere Tasche in der Hand hielt. Er verbeugte sich, trat dann zu Richard und begann sogleich mit der Untersuchung und Versorgung der Wunde. Dabei ging er so ruhig und sicher vor, dass eine Welle der Erleichterung über Jane hinwegrollte.
Die Signora winkte Jane zu sich und sagte leise: „Es hat sich schon jemand gemeldet, der Seine Gnaden wegen des Kampfes befragen will.“
„Oh!“ Jane wurde blass. „Ich hatte gehofft … Nun, ich werde selbst mit dem Herrn sprechen und …“
„Nur keine Aufregung, Miss Wood“, beschwichtigte Signora della Battista. „Ich habe die Männer fortgeschickt. Natürlich werden sie morgen zurückkommen. Es wäre gut, wenn Sie Seine Gnaden dazu überreden könnten, sich dann nicht herablassend zu benehmen. Vergessen Sie nicht: Venedig ist eine Republik. Uns beeindruckt ein englischer Adelstitel wenig. Tatsächlich liegt uns nichts an Mördern, die aus dem Ausland zu uns kommen.“
„Der Duke of Aston hat sich gegen zwei Schurken zur Wehr gesetzt, die uns ausrauben und umbringen wollten!“, rief Jane erregt.
„Dann muss er nur die Wahrheit berichten. Wenn seine Erklärungen überzeugend sind, wird man ihnen Glauben schenken. Das setzt allerdings auch voraus, dass der Duke nicht wie ein rechthaberischer Aristokrat auftritt. Wenn er sich höflich benimmt, wird man ihm ebenso höflich begegnen. Wenn er sich allerdings aufplustert, laut wird und sich von seiner überheblichsten Seite zeigt, dann kann das böse Folgen für ihn haben.“
„Ich verstehe, Signora. Selbstverständlich werde ich mein Bestes tun, um ihm klarzumachen, wie er sich verhalten sollte.“ Sie ließ den Blick zu Richard wandern, der die Augen geschlossen hatte und die Behandlung des Arztes über sich ergehen ließ. Das Brandy-Glas war leer. Gerade begann der Arzt damit, die Wunde zu nähen.
„Ich denke“, sagte Jane, „dass er morgen ziemlich still sein wird.“
Die Signora nickte zufrieden, und Jane kehrte an Richards Seite zurück. Als sie ihm leicht die Hand auf die Schulter legte, griff er danach und hielt sie fest. So fest, dass Jane einen kleinen Schmerzensruf unterdrücken musste. Doch anscheinend hatte Richard trotzdem etwas bemerkt. Er öffnete kurz die Augen und fragte: „Ist es so schlimm? Man würde es mir sagen, wenn ich mit dem Tod rechnen müsste, oder?“
„Sie werden nicht sterben“, kam der Arzt, der offenbar gut Englisch sprach, Janes Antwort zuvor. Er verknotete die Enden des Verbandes. „Der Schnitt ist tief, aber es handelt sich nicht um eine komplizierte Verletzung. Ich habe sie mit Rosenöl, Eigelb und Terpentinöl desinfiziert und denke, dass sie sich nicht entzünden wird. Wahrscheinlich wird nichts außer einer Narbe zurückbleiben.“
Richard richtete den Blick auf die bandagierte Hand und runzelte die Stirn.
„Trinken Sie ruhig noch ein Glas Brandy, Euer Gnaden“, meinte der Arzt. „Versuchen Sie dann zu schlafen. Der Heilungsprozess sollte gute Fortschritte machen, andernfalls suche ich Sie gern noch einmal auf.“
„Gut. Und nun möchte ich allein sein“, verkündete Aston. „Nur Sie, Miss Wood, bleiben bitte hier!“
Die anderen wandten sich zur Tür, während Jane begann, all das aufzuräumen, was nach der Behandlung der Wunde herumstand.
„Lass das“, sagte Richard. „Deshalb habe ich dich nicht gebeten, hierzubleiben.“
„Ich wäre sowieso geblieben, weil diese Dinge ja erledigt werden müssen.“
„Das kann warten. Mir ging es darum, dass du bei mir bist, Jane.“
Sie schenkte ihm ein kurzes Lächeln und goss ihm ein weiteres Glas Brandy ein. „Der Arzt sagte, du solltest noch etwas trinken.“
„Zum Teufel mit dem Arzt!“ Mit einer gereizten Geste wischte er das volle Glas vom Tisch. Während der Brandy sich auf dem Fußboden ausbreitete, rollte das Glas, das zum Glück nicht zerbrochen war, in eine Ecke. „Wann und was ich trinken will, entscheide ich selbst. Ich lasse mir doch nicht von einem blöden Ausländer Vorschriften machen!“
Jane erwiderte nichts, sondern machte sich daran, die verschüttete Flüssigkeit aufzuwischen. Richard beugte sich nach vorn, umfasste ihren Oberarm und zog sie hoch. „Wenn ich ein Zimmermädchen brauche, dann läute ich nach einem!“,
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