Veni, Vidi, Gucci
nicht mehr mein Polnisch ausprobiert, und ich freue mich, dass ich es noch kann.
»Wie machst du das nur?«, kreischt Summer begeistert. »Du bist brillant! Was für ein vergeudetes Talent.«
Sie weiß nicht einmal die Hälfte. Soll ich ihr von dem Termin erzählen, den ich am Montag habe platzen lassen? Darüber denke ich gerade nach, als Summer fragt: »Und was bedeutet moja zappdingensbumens? «
»Mein kleiner Frosch.«
»Woher weißt du das bloß alles? Und wie kannst du dir das alles merken?«
»Keine Ahnung. Wahrscheinlich habe ich ein fotografisches Gedächtnis oder so.«
Summer hält inne, nimmt einen Schluck Wasser und sieht mich mitleidig an wie einen sterbenden Hund. »Ich hätte dir diesen Auftrag ganz leicht verschaffen können. Wir arbeiten mit drei verschiedenen Dialogregisseuren am Set – einen für jeden Akzent –, und du könntest alle drei ersetzen. Du hättest dem Produzenten ein Vermögen sparen können.«
»Nein, Summer, ich hätte ihn ein Vermögen gekostet«, widerspreche ich. Sie verdient es, die Wahrheit über ihre beste Freundin zu erfahren, und wenn auch nur, damit sie Ruhe gibt. Folglich erzähle ich ihr von dem Tonstudio, den sieben kleinen Worten und von meinem spektakulären Nichterscheinen.
»Fran, wie oft müssen wir diese Unterhaltung noch führen?«, sagt Summer, nachdem ich ihr alles gebeichtet habe. Sie klingt wie Richard. »Das ist doch verrückt! Warum bekommst du mit einem Mal Panikattacken? Es gibt nichts, wovor du Angst haben musst. You’re simply the best.«
Ich bin nicht sicher, ob Tina Turner mit ihr einer Meinung wäre ...
»Was für ein Arschloch!«, stößt sie plötzlich hervor.
»Wer?«
»Na, dein feiner Ehemann, wer sonst?«, entgegnet sie. Summer gibt gerne Richard für alles die Schuld, selbst für meine eigenen Fehler.
»Wieso, was hat er damit zu tun?«
»Nun ja, er könnte dir wenigstens etwas mehr Unterstützung geben, damit du dich wieder in die richtige Welt hinaustraust.«
»Aber er unterstützt mich doch!«
»Du tust es schon wieder! Hör bitte endlich auf, ihn immer in Schutz zu nehmen.« Summer wird richtig laut. Sie könnte nicht wütender klingen, hätte ich ihr gesagt, dass ich sie damals vor zwölf Jahren belogen habe und ihr Auftritt in The Bill unter aller Kanone war, dass sie die geschundene Ehefrau genauso überzeugend gespielt hat wie ein labberiges Fischstäbchen und dass ihr Peckham-Akzent um einige Spuren daneben war.
Ich lasse kurz den Blick schweifen, um mich zu vergewissern, dass uns niemand beobachtet. »Bitte, schrei nicht, Summer«, sage ich, um sie zu beruhigen.
»Also gut, ich kann dir das auch in normaler Lautstärke sagen. Dein Göttergatte ist ein egoistisches Arschloch. Warum ist er nie zu Hause bei dir und den Kindern? Sehen wir den Tatsachen doch ins Gesicht: Daran wird sich nie etwas ändern«, belehrt sie mich, bevor sie richtig darüber nachdenkt, was sie sagt. »Weißt du, was du zu tun hast? Vergiss Richard. Du kannst dich auf ihn nicht verlassen, das wissen wir beide. Ich sage nur ein Wort: au pair .«
»Das sind zwei Worte.«
»Spar dir deine Haarspaltereien. In London wimmelt es von jungen Mädchen – zufällig meistens Polinnen –, die liebend gerne deine Kinder von der Schule abholen würden.«
Damit mag sie recht haben, aber ich habe dennoch keine Antwort für sie. Jedenfalls keine, die ich ihr in der kurzen Zeit, bis ihre Mittagspause vorüber ist, geben könnte. Summer hat keine Kinder und kann daher nicht nachvollziehen, wie es ist, seine Kinder für die Karriere zu vernachlässigen. Genau das sage ich mir. Aber wann habe ich die Kinder jemals für die Karriere vernachlässigt?
»Gut, was soll’s«, sagt Summer schließlich, als sie keine Lust mehr hat, auf meine Antwort zu warten. »Vielleicht bist du ja zu Hause am besten aufgehoben. Ich werde dich in nächster Zeit ohnehin öfter brauchen.«
»Was meinst du damit?«
»Oh, nichts. Nur, dass der Film bald abgedreht ist und ich dann nichts zu tun habe, weißt du«, entgegnet sie mit einer wegwerfenden Handbewegung, da sie das Thema nicht weiter vertiefen möchte. Im Grunde kann ich ihr keinen Vorwurf machen. Sie muss es genauso leid sein wie ich, immer wieder die gleichen sinnlosen Diskussionen darüber zu führen, was ich mit meinem Leben anfangen soll.
Ich warte immer noch auf eine Erleuchtung, auf den Moment, in dem ich mein restliches Leben klar vor Augen habe. Wenn es so weit ist, wird Summer als Erste davon erfahren.
Schon
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