Veni, Vidi, Gucci
ganz neues Ich. Das Leben beginnt mit vierzig? Pah! Wenn ich mich im rüstigen Alter von siebenunddreißig neu erfinde, werde ich dem Zeitplan um Jahre voraus sein. Gleich am Montag werde ich Isabel und Harvey wegen der Sprechrolle anrufen. Ich habe da richtig Lust drauf. Schade, dass ich das erst durch meine Dummheit heute Abend begriffen habe, aber man muss erst am Boden liegen, um wieder hochzukommen, nicht wahr?
Das alles werde ich Richard sagen, wenn er gleich ins Schlafzimmer kommt.
Selbstverständlich werde ich ihm auch die Hotelrechnung zeigen, zumal sie ja der Auslöser dieses Missverständnisses war. Aber sie spielt ja nun keine Rolle mehr, weil ich bereits weitergedacht habe. (An dieser Stelle bietet es sich an, eine kurze Pause einzulegen, um Richard die Gelegenheit zu einer absolut harmlosen Erklärung zu geben.) Natürlich treibt mein Mann es nicht mit Karen, und es ist völlig normal, wenn Arbeitskollegen sich gegenseitig »Tiger« nennen. Oder »Wildkatze«. Oder »Pudel«. Und es wird auch nicht nötig sein, für die Zukunft darauf zu bestehen, dass sich alle in Richards Firma mit dem Taufnamen anreden, weil mein brandneues Ich schließlich überhaupt nicht mehr eifersüchtig ist.
Nein, Richard und ich werden ein wunderbares Gespräch haben und uns anschließend im Bett versöhnen. Dort bleiben wir auch den ganzen nächsten Tag, wie John und Yoko, nur ohne politische Aussage. Molly wird begeistert sein. Sie steht auf Romantik. Wer kann es ihr verübeln?
Romantik ist eine tolle Sache. Nehmen wir zum Beispiel Summer. Was ist nur mit ihr los? Aber wissen Sie was? Es spielt keine Rolle. Summer bekommt nämlich ein Baby! Und wenn sie sich dabei auch noch in den Vater verliebt hat (Summer und ein Kerl?), wäre das einfach fantastisch. Ich werde unsere Unterhaltung im Regen bei Gelegenheit fortsetzen und Summer sagen, dass nur zählt, dass sie glücklich ist, ob mit einem Mann, einer Frau oder einem Tier. Gut, vielleicht nicht gerade mit einem Tier. Das würde die Sache mit der Romantik etwas erschweren, aber Sie verstehen schon, worauf ich hinauswill.
Ich bin bereit, mein Leben zu ändern. Beziehungsweise, um es mit Don Corleone zu sagen – ein Lieblingsspruch von Richard: Heute ist der Tag, an dem ich mich um Familienangelegenheiten kümmere.
Verstehen Sie mich nicht falsch, ich habe nicht vor, mir an dem Film ein Beispiel zu nehmen und das nördliche London mit Leichen zu pflastern. Richard, erdrosselt mit seiner Lieblingskrawatte, Summer mit einem Loch im Kopf, ihr Gehirn über eine Theaterfachzeitschrift verteilt, Sureya, die tot in ihrem Kräutergarten liegt. Nein, ich will nur alles wieder gutmachen bei denen, die ich mehr oder weniger vernachlässigt habe, angefangen bei mir.
Das ist wirklich ein großartiger Plan, und ich bin bereit, ihn in die Tat umzusetzen, sobald Richard nach oben kommt.
Es ist jetzt Viertel vor drei. Offensichtlich hat Richard nicht vor, nach oben zu kommen. Um mit mir zu reden, mit mir zu schlafen oder was auch immer. Ich habe die ganze Zeit wach gelegen und nachgedacht. Ich finde, dass Summer eine Lügnerin ist. Was spielt sie für ein Spiel? Summer hat mit einem Mann geschlafen . Dabei hasst Summer Männer – das behauptet sie zumindest seit zwanzig Jahren. Hat sie mich die ganze Zeit angelogen? Und hat sie Phoebe mit ihren Lügen hingehalten? Die arme Kleine ist erst zwanzig! Aber dafür bin ich schon siebenunddreißig, und ich werde Summer nicht so einfach davonkommen lassen.
Und sie ist nicht die Einzige. Richard ist ebenfalls ein beschissener Lügner. Ich blicke auf die Hotelrechnung. Das ist keine Einbildung – sie liegt in meiner Wäscheschublade, wo ich sie hingesteckt habe. Die Spesenabrechnung eines Mitarbeiters von Richard. Wie kam ich denn auf so etwas? Schließlich steht oben auf der Rechnung Richards Name. Er ist ein verdammter Lügner, weil dies der unwiderlegbare Beweis ist, dass er es doch mit Karen treibt. Ich bin mir dessen nun sicher, und dieses Mal wird er sich nicht wieder herauswinden können.
Ich klettere aus dem Bett und ziehe meinen Bademantel über. Auf Zehenspitzen schleiche ich an den Kinderzimmern vorbei die Treppe hinunter.
Richard liegt im Wohnzimmer auf der Couch und schläft. Obwohl seine teure Anzughose ganz zerknittert und sein Gesicht unvorteilhaft in die Kissen gedrückt ist, sieht er immer noch zum Anbeißen aus. Das gleiche Gesicht wie Molly, nur leicht ergraut. Aber warum machen seine grauen Schläfen ihn nur noch
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