Veni, Vidi, Gucci
zwar in letzter Zeit alle möglichen Gedanken über mich gemacht, aber seltsamerweise kam mir nie ein sadistisch veranlagtes, rassistisches Alien (mit Johannesburg-Dialekt) in den Sinn.
»Wie wär’s?«, fragt Harvey.
Was soll ich sagen? Ich kann nicht wieder arbeiten gehen. Die Kinder brauchen mich. Außerdem weiß ich wahrscheinlich gar nicht mehr, wie man in ein Mikro spricht. Gott, ich bekomme ja schon Panikattacken wegen der Lunchboxen! Was soll ich bloß sagen?
Es spielt jedoch gar keine Rolle, dass ich kein Wort herausbringe, da die beiden wieder loslegen. Mit einem neuen Schwall »eine Mischung aus StarWars und Sponge Bob Schwammkopf « etc. Ich lächle und nicke und lache, wie ich hoffe, an den richtigen Stellen, mit benommenem Kopf, während meine Aufmerksamkeit zwischen meinem knurrenden, leeren Magen, der grellen Diskobeleuchtung und den unkoordiniert um sich schlagenden Gliedmaßen der feiernden Gäste hin und her schwankt. Leider gehören keine dieser Gliedmaßen meinem Mann.
»Entschuldigt«, unterbreche ich die beiden in möglichst höflichem Ton, »aber habt ihr zufällig Richard gesehen?«
»Ich glaube, er ist vorhin rausgegangen, um ungestört zu telefonieren«, sagt Isabel, als Summer zu uns stößt.
»Fran, kann ich mit dir reden?«, sagt sie zu mir.
»Sorry, Fran. Wir haben dich ziemlich in Beschlag genommen«, entschuldigt sich Isabel.
»Wir reden später weiter, ja?«, sagt Harvey. »Du musst unbedingt das Drehbuch lesen.« Und damit lassen sie uns alleine.
»Was wollten die beiden?«, fragt Summer.
Sie weiß, wer Harvey und Isabel sind. Schließlich arbeitet sie in derselben Branche und kennt jeden. Und wahrscheinlich ärgert es sie gewaltig, dass die beiden sie nicht ebenfalls erkannt haben.
Summer wartet meine Antwort nicht ab. »Ist auch egal, tut mir leid, aber ich bin im Moment ziemlich konfus. Ich muss unbedingt mit dir reden, Fran.«
Ich höre Summer gerne zu, aber im Moment dreht sich mein Kopf. Ich kann nicht klar denken.
»Ich kann nicht«, antworte ich. »Jedenfalls nicht jetzt. Ich muss zuerst Richard finden.«
»Ab–«
»Sorry, Summer. Ich muss los«, sage ich und gehe in Richtung Ausgang.
Richard steht auf der Terrasse, im Schein der Flutlichtanlage, die die Tennisplätze beleuchtet. Es nieselt, und sein Kragen ist hochgeschlagen. Die eine Hand ist tief in seiner Hosentasche vergraben, die andere hält das Handy ans Ohr. Als er das Klappern meiner Absätze hört, wendet er sich kurz zu mir um und kehrt mir dann sofort wieder den Rücken zu.
Ich stehe fünf Meter hinter ihm und fühle mich nicht wohl in meiner Haut. Ich überlege, ob ich wieder hineingehen und Richard in Ruhe telefonieren lassen soll. Aber mit wem spricht er da? Was ist so wichtig, dass er auf der Geburtstagsfeier seiner Frau um kurz vor Mitternacht ein Telefonat führen muss?
Gleich darauf klappt Richard sein Handy zu und dreht sich zu mir um.
»War das Karen?«, frage ich. Gott, wie komme ich denn bloß darauf?
»Welche Karen?« Richard macht ein verwirrtes Gesicht – und das sehr überzeugend.
»Du weißt schon, Karen.« Ich sage das in meinem besten Kanadisch – mit Nord-Ontario-Akzent, um genau zu sein. »Umwerfend schön, nennt dich Tiger.«
»Worauf willst du hinaus?«
»Keine Ahnung, sag du es mir.« Ich zittere plötzlich. Ich bin nicht sicher, ob das an der Kälte oder an der Unterhaltung liegt. Die ich begonnen habe, was ich jetzt sehr bedaure.
»Wie viel hast du getrunken?«, fragt Richard und mustert mich von oben bis unten.
Aber ich bin nicht betrunken. Ich werde sogar schneller nüchtern, als mir lieb ist.
Das Nieseln hat sich jetzt in richtigen Regen verwandelt und hat den gleichen Effekt wie eine kalte Dusche.
»Wechsel jetzt nicht das Thema«, sage ich. »Fickst du sie?«
Oh Gott. Warum habe ich das gesagt? Richard sieht aus, als würde er jeden Moment explodieren.
»Du hast einen Knall, weißt du das? Kein Wunder, dass wir ... Kein Wunder, dass ich ... Karen arbeitet für mich. Sie ist meine Kollegin . Herrje, glaubst du wirklich, ich hätte was mit ihr?«
Er sieht mich an, mit langsamem Kopfschütteln.
»Dein Handy.« OhGottohGottohGott, wer spricht da? Denn ich bin es nicht.
»Was?«, fragt Richard mit verwirrtem Blick.
»Dein Handy. Zeig es mir.«
Ich sehe in der Anrufliste nach, überlege ich. Wenn ganz oben KAREN steht, weiß ich, dass mein Mann mich betrügt.
»Das ist doch krank«, stößt Richard hervor. Aber ich sehe es in seinen Augen. Ich
Weitere Kostenlose Bücher