Venus 01 - Piraten der Venus
der Meuterer schossen – und nicht nur auf die Meuterer, sondern auch auf ihre eigenen Leute. Dieses herzlose und dumme Vorgehen trug dazu bei, daß sich viele Männer unserem Kampf anschlossen. Der erste, den ich auf dem Oberdeck zu sehen bekam, war Kamlot, der ein Schwert in der einen und eine Pistole in der anderen Hand trug und mir kurz zulächelte, als er mich erkannte. Es tat meinem Herz unendlich wohl, endlich wieder mit meinem Freund zusammen zu sein, und gemeinsam gingen wir gegen unsere Gegner vor.
Etliche Offiziere waren bereits gefallen, und die Überlebenden wandten sich zur Flucht und versuchten das oberste Deck zu erreichen. Hinter uns versuchten zwanzig Männer, es ihnen gleich zutun, um oben reinen Tisch zu machen, und weitere folgten von unten nach. Kamlot und ich wollten den Sturm auf die letzte Bastion der Offiziere anführen, aber die fluchenden und schreienden Meuterer überholten uns einfach und stürzten sich auf die verhaßten Gegner.
Die Männer waren völlig außer Rand und Band, und da sie zum größten Teil nicht unserem Geheimbund angehörten, hatten sie auch keinen Führer. Jeder kämpfte für sich allein. Ich hatte die Offiziere schützen wollen, aber jetzt stand ich der blutigen Orgie, die sich vor meinen Augen abspielte, hilflos gegenüber.
Die Offiziere, die mit dem Rücken zur Wand um ihr Leben kämpften, töteten manchen Meuterer, aber sie waren zahlenmäßig hoffnungslos unterlegen. Fast jeder einfache Soldat oder Seemann schien einen Groll gegen diesen oder jenen Offizier oder gegen den Offiziersstand allgemein zu hegen, und die Angreifenden stürmten wie Furien immer wieder gegen den letzten Stützpunkt der Autorität, den großen Turm, an.
Jeder getötete oder verletzte Offizier wurde über die Reling auf das darunterliegende Deck und von dort auf das Hauptdeck geworfen. Die Männer ganz unten schleuderten ihn schließlich ins Meer hinaus.
Endlich gelang den Meuterern auch die Eroberung des Turms. Der Kapitän war der letzte, den man ans Tageslicht zog. Er hatte sich in einem Schrank in seiner Kabine versteckt. Bei seinem Anblick erhob sich ein Schrei des Hasses, wie ich ihn in meinem gan zen Leben nicht wieder hören möchte. Kamlot und ich standen im Hintergrund und wurden zu hilflosen Zeugen dieses Infernos. Wir mußten mitansehen, wie der Kapitän förmlich in Stücke gerissen und in das Meer geworfen wurde.
Mit seinem Tod war der Kampf vorüber. Das Schiff war in un serer Hand. Mein Plan war zwar Wirklichkeit geworden, doch mich bedrängte plötzlich die Erkenntnis, daß ich hier vielleicht eine Macht heraufbeschworen hatte, die ich nicht meistern konnte. Ich berührte Kamlot am Arm. »Komm mit«, sagte ich und stieg zum Hauptdeck hinab.
»Wer hat die Meuterei angezettelt?« fragte Kamlot, während wir uns durch die erregten Männer drängten.
»Die Meuterei war mein Plan«, erwiderte ich, »nicht aber das Massaker. Jetzt müssen wir Ruhe und Ordnung wiederherstellen.«
»Wenn das überhaupt möglich ist«, sagte er düster.
Auf dem Weg zum Hauptdeck bat ich einige Mitglieder unseres Freiheitsbundes, mir zu folgen, und als ich mein Ziel erreicht hat te, versammelte ich sie um mich. Unter den Meuterern hatte ich den Trompeter entdeckt, der unwissentlich das Signal für den Auf stand gegeben hatte, und ich ließ ihn den Ruf zum Sammeln bla sen. Ob man dem Signal gehorchen würde, wußte ich nicht, aber die Macht der Gewohnheit war so groß, daß die Männer sofort aus allen Teilen des Schiffes herbeiströmten. Umgeben von meinen Getreuen, bestieg ich dann eine Kanone und verkündete, daß die Soldaten der Freiheit das Schiff übernommen hätten und daß je der, der uns begleiten wollte, dem Vookor unseres Bundes zu ge horchen hätte. Alle anderen würden wir an der Küste absetzen.
»Wer ist der Vookor?« fragte ein Soldat, in dem ich einen der Kämpfer erkannte, der gegen die Offiziere besonders rücksichtslos vorgegangen war.
»Ich«, erwiderte ich.
»Einer von uns müßte der Vookor sein«, knurrte er.
»Carson hat den Aufstand geplant und zum Erfolg geführt!« brüllte Kiron. »Carson ist unser Vookor.«
Aus den Kehlen meiner Getreuen und hundert neuer Anhänger erscholl ein Schrei der Zustimmung, aber es gab auch viele, die den Mund nicht aufmachten oder sich leise mit ihren Nachbarn unter hielten. Zu ihnen gehörte Kodj, der Soldat, der Einwände gegen meine führende Rolle vorgebracht hatte, und ich sah, daß sich einige Leute bereits um ihn
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