Venus 01 - Piraten der Venus
ein Thorist gewesen ist, dann muß er ein Verräter gewesen sein, denn er versuchte mich ständig für seinen Plan zu interessieren. Offensichtlich hatte er vor, das Schiff zu übernehmen und sämtliche Offiziere zu ermorden. Wie ich annehme, hat er auch andere in dieser Weise angesprochen.« Ich sprach so laut, daß mich alle hören konnten. Wenn genügend Männer das gleiche erzählten, konnten wir die Offiziere vielleicht davon überzeugen, daß Anoos’ Verschwörungsbericht frei erfunden war und seinem Streben nach Anerkennung entsprang – was bei Spionen recht oft vorkommen soll.
»Hat er irgendwelche Gefangenen dazu bringen können, ihm zu helfen?« fragte der Kapitän.
»Ich glaube nicht. Wir haben ihn jedenfalls ausgelacht.«
»Hast du eine Ahnung, wer ihn ermordet haben könnte?«
»Wahrscheinlich irgendein Patriot, der den Verräter bestrafen wollte«, log ich.
Im weiteren Verlauf des Verhörs konnte ich zu meiner Freude feststellen, daß die anderen Soldaten der Freiheit meinen Hinweis verstanden hatten; fast alle berichteten davon, daß Anoos sie in seine Pläne hatte verstricken wollen, was sie natürlich weit von sich gewiesen hatten.
Als der Kapitän seine Untersuchung beendete, war er weiter von der Wahrheit entfernt als vorher; denn ich bin sicher, daß er aus unseren Antworten die Oberzeugung gewann, daß Anoos’ Be richt ein Lügenmärchen gewesen war. Während der Durchsuchung hatte ich in der ständigen Angst geschwebt, daß der Schlüssel zur Waffenkammer gefunden werden könnte. Aber wie uns Kiron später sagte, hatte er das kostbare Stück noch in der Nacht in sei nem Haar befestigt, wo es natürlich übersehen wurde.
Der amtorische Tag besteht aus 26 Stunden, 56 Minuten und vier Sekunden irdischer Zeitrechnung und ist in zwanzig Te ein geteilt. Der Einfachheit halber werde ich diese Zeiteinheit ebenfalls Stunde nennen, obwohl sie natürlich fast 81 irdische Minu ten lang ist. An Bord des Schiffes wurde der Stundenschlag von einem Trompeter verkündet, wobei jede Tagesstunde eine eigene Tonfolge hatte. Der Beginn der ersten Stunde fällt mit dem Son nenaufgang zusammen, und um diese Zeit werden auch die Ge fangenen geweckt und mit Frühstück versorgt. Vierzig Minuten später beginnt die Arbeit, die etwa bis zur zehnten Stunde dauert. Wenn unsere Wächter gut gelaunt waren, durften wir auch schon um neun oder gar um acht aufhören.
Am heutigen Tag kam unser Geheimbund in der Mittagspause zusammen, und da ich mich für ein sofortiges Handeln entschieden hatte, gab ich Anweisung, daß wir losschlagen würden, wenn der Trompeter die siebente Stunde ankündigte. Im gleichen Augen blick sollten sämtliche Verschwörer, die sich gerade in der Nähe aufhielten, die Waffenkammer stürmen – unter Führung Kirons, der die Tür aufschließen mußte, falls das erforderlich werden sollte.
Die übrigen erhielten den Befehl, alle erreichbaren Soldaten an zugreifen und dabei als Waffe zu benutzen, was ihnen in die Fin ger kam. Fünf von uns sollten sich um die Offiziere kümmern. Die Hälfte unserer kleinen Streitmacht war angewiesen, ständig unse ren Schlachtruf: »Für die Freiheit!« auszustoßen, während die übrigen Gefangene und Soldaten überreden mußten, sich uns an zuschließen.
Es war ein verrückter Plan, der unserer Verzweiflung entsprang.
Ich hatte die siebente Stunde gewählt, weil die meisten Offiziere zu dieser Zeit bei einem leichten Mahl in der Messe saßen. Wir hätten unseren Aufstand lieber in der Nacht begonnen, fürchteten jedoch, daß man uns wieder einsperren würde. Außerdem hatte uns die Erfahrung mit Anoos gelehrt, daß unser Plan jeden Augenblick von einem anderen Spion verraten werden konnte. Wir hatten also keine Zeit zu verlieren.
Ich muß gestehen, daß ich in den Stunden vor dem Aufstand ziemlich aufgeregt war. Von Zeit zu Zeit musterte ich die anderen Mitglieder unseres kleinen Bundes und glaubte auch hier und da Anzeichen von Nervosität zu entdecken, während andere ihrer Ar beit nachgingen, als wäre nichts geschehen. Auch Zog schien völ lig ruhig zu sein. Er arbeitete in meiner Nähe und blickte nicht ein einzigesmal zum Decksturm auf, von dem aus der Trompeter bald die schicksalsvollen Töne blasen würde. Niemand hätte vermuten können, daß Zog den Plan hatte, die Soldaten in seiner Nähe zu überwältigen, und daß er in der letzten Nacht einen Mann umge bracht hatte. Er polierte einen Kanonenlauf und summte leise vor sich hin.
Gamfor und
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