Venus allein zu Haus
war leider zu kraftlos, um mich gegen den Vorschlag zu wehren. Ich weiß nicht, ob ein Abend mit einem glücklichen Pärchen, ob Homo oder Hetero, zurzeit so eine gute Idee ist. Aber was sind die Alternativen? Na also. Vielleicht werde ich hier wenigstens ein bisschen abgelenkt.
»Nick, wir haben Besuch«, ruft Michael laut und schon erscheint ein sommersprossiges Gesicht in der Küchentür. Über Jeans und schlichtem braunen Langarm-Shirt trägt er eine blau-weiß-gestreifte Schürze, in der linken Hand hält er einen hölzernen Kochlöffel, von dessen Spitze es verführerisch dampft.
»Ach, wie schön. Gut, dass ich die Pasta noch nicht in den Kochtopf geworfen habe. Also für drei«, sagt er ganz selbstverständlich und verschwindet wieder in der Küche. Was zu essen? Cool! Bin wirklich ganz ausgehungert vom vielen Weinen. Ich muss endlich damit aufhören, ständig und überall loszuheulen. Ich leiere irgendwann noch mal die Blutgefäße in meinen Augen aus, sodass sie sich auch mit Hilfe von Augentropfen nicht mehr anständig zusammenziehen werden. Michael und ich folgen Nick in die Küche und lassen uns auf je einen Stuhl fallen.
»Helen, das ist schön, dass du hier bist«, erklärt Nick begeistert, während er vergnügt vor dem Herd hin und her springt und scheinbar zehn Sachen auf einmal tut. Staunend beobachte ich, wie er ein flaumiges Ciabattabrot mit einem scharfen Messer in Scheiben schneidet, ohne es dabei zu zerdrücken. »Ich hatte irgendwie das Gefühl, dass du nicht ganz verstanden hast, dass du von uns nichts zu befürchten hattest.«
»Nein, nein, ich weiß, dass nichts passiert ist«, sage ich verlegen und werde ein bisschen rot.
»Gott bewahre«, sagt Nick und wirft die Hände hoch. »Nichts für ungut, aber ich konnte Frauen noch nie etwas abgewinnen.« Ein bisschen beleidigt verziehe ich das Gesicht.
»Rein sexuell gesehen«, fügt Nick da auch schon geistesgegenwärtig hinzu, »ansonsten seid ihr für mich göttliche Wesen.« Er nimmt meine Hand und küsst sie, woraufhin ich ihm ein verzeihendes Lächeln schenke. Während Michael Rotwein in drei bauchige Gläser schenkt, verteilt Nick die Brotscheiben auf einem gefetteten Backblech, beträufelt sie mit Olivenöl und Kräutern, um sie dann in den Ofen zu schieben. Er richtet Salat an, zaubert ein Dressing, rührt in der Nudelsoße herum, wirft
die Pasta ins Wasser und schneidet Honigmelone in Würfel. Ich frage mich allen Ernstes, wie der den Überblick behält.
»So, fertig«, sagt Nick laut und stellt uns mit Schwung den in Herzform angerichteten Rucolasalat mit Kirschtomaten, Pinienkernen und Honig-Senf-Dressing vor die Nase. Dazu schmeckt das knusprige Kräuterbrot, das auf die Sekunde genau aus dem Ofen genommen wurde und an den Seiten leicht angebräunt, aber nicht verbrannt ist. Die Penne, bissfest und in scharfer Tomatensoße mit Scampi, schmecken besser als bei jedem Italiener.
»Du isst doch Meeresfrüchte«, fragt Nick mich etwas besorgt.
»Fisch ja, Fleisch nein«, lasse ich meinen Standardspruch los. Ich frage mich langsam, ob ich hier vielleicht in irgendeine Feierlichkeit hereingeplatzt bin. Einjähriges Jubiläum zum Beispiel? Das wäre mir wirklich sehr unangenehm.
»Nein, nein, keine Sorge«, sagt Michael lachend, als ich zaghaft meine Bedenken äußere, »wir essen einfach gerne gemütlich.«
»Und gesund«, fügt Nick hinzu und spießt eine Kirschtomate auf seine Gabel.
»Außerdem sind wir schon seit fast fünf Jahren zusammen.«
»Fünf Jahre?« Ich staune Bauklötze. Das ist ja unglaublich.
»Du denkst wohl bei Schwulen an Dark Rooms und Gruppensex mit Fremden, was?«, fragt Michael.
»Nein, natürlich nicht«, beeile ich mich zu sagen und verschlucke mich dabei fast an einem Rucolablatt.
»Wohl zu viel ›Wahre Liebe‹ geguckt?«, unkt Michael, und da bemerke ich das breite Grinsen, das sich über sein Gesicht zieht. Ja, sehr witzig. Dark Rooms. Sofort
erscheint vor meinem inneren Auge Jan, mein Jan, in einem stockfinsteren Raum mit lauter fremden Männern. Dabei ist er doch so sensibel.
»Nein, nein, wir sind seit fünf Jahren zusammen. Und treu!« Das kam ein bisschen sehr betont aus Nicks Richtung, finde ich. Und der Blick, den er Michael dabei zuwirft. Wieso suche ich jetzt in dieser anscheinend gut funktionierenden Beziehung ein Problem? Weil ich es nicht ertragen kann, dass andere schaffen, was mir bisher noch nicht gelungen ist? Wow, sieh mal an! Ich brauche Sophia gar nicht, um mich verrückt
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