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Venus allein zu Haus

Venus allein zu Haus

Titel: Venus allein zu Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Voosen Jana
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mich an. Dann leuchten seine Augen plötzlich auf und er fängt an zu kichern: »Helen, hast du das denn nicht kapiert? Wir hatten nichts miteinander, ehrlich nicht. Ich habe dich nur zu mir nach Hause gebracht, weil du so betrunken warst, dass du nicht mehr wusstest, wo du wohnst. Ich habe dich ganz sicher nicht angerührt. Glaub mir doch, ich bin schwul.« Treuherzig lächelt er mich an. Mir reichts. Es kommt mir gerade so vor als hätte ich ein Déjà-vu, und kein besonders angenehmes dazu. Ich krame in meiner Tasche nach dem Geldbeutel und hole einen Fünf Euro Schein heraus.
    »Das ist mir nicht entgangen«, sage ich, während ich ihn auf den Tisch knalle und aufstehe.
    »Ist das ein Problem für dich?«, fragt Michael jetzt vollkommen verwirrt.
    »Allerdings! Und was für eins!«
    »Das ist doch nicht dein Ernst!« Fassungslos starrt er mich an. Ich will mich gerade auf dem Absatz umdrehen, als mir aufgeht, wie das auf ihn wirken muss. Nicht gut. Gar nicht gut. Um es genau zu nehmen, politisch total unkorrekt. Ich spiele nur eine Sekunde mit dem Gedanken, ausnahmsweise mal drauf zu scheißen, was jemand anderes von mir hält und das Weite zu suchen, aber dann siegt (wie immer) die Miss Perfect in mir. Mit einem tiefen Atemzug lasse ich mich wieder auf den Stuhl fallen. Michaels Augenbrauen treffen mittlerweile über seiner Nasenwurzel beinahe aufeinander, so sehr hat sich sein Blick verfinstert: »Sag bloß, du bist einer von diesen religiösen Spinnern, die behaupten, Schwulsein sei eine Sünde.«
Ich will gerade den Mund aufklappen, um diese Anschuldigung weit von mir zu weisen, da gebietet er mir mit einer Handbewegung zu schweigen. »Dann will ich dir jetzt mal was erzählen, Fräulein Bibelfest. Ja, in der Bibel mag stehen, dass der Mann nicht beim Mann liegen soll, aber zu der Zeit war es üblich, dass die Männer sich Knaben ins Bett geholt haben. Verstehst du, Knaben! So wie ich die Bibel verstehe, hat Gott einfach etwas gegen den Missbrauch von Kindern. Und sicher, ganz sicher hat er nichts dagegen, wenn zwei Menschen, egal was für Menschen, einander in Liebe begegnen.« Vor lauter Erregung ist er während seines Vortrages immer lauter geworden, und als er sich jetzt aufatmend zurücklehnt und mich herausfordernd ansieht, bemerke ich, dass er nicht der Einzige ist, dessen Blick auf mir ruht. Sämtliche Gäste in unserer näheren Umgebung drehen neugierig die Köpfe in unsere Richtung und betrachten mich mit einer Mischung aus Verachtung und Neugier. Ich spüre, wie mir das Blut in den Kopf schießt und ich puterrot anlaufe.
    »Ich … ich glaube auch, dass er nichts dagegen hat«, stammele ich verlegen.
    »Und was hast du dann dagegen?«, bohrt er nach.
    »Gar nichts«, rufe ich verzweifelt, »ich habe nichts gegen Schwule. Wirklich nicht. Aber warum muss ausgerechnet mein Verlobter plötzlich schwul sein?« Kaum habe ich das ausgesprochen, halte ich mir schon erschrocken die Hand vor den Mund. Zu spät, Helen, was raus ist, ist raus. Dabei geht das diesen blöden Michael ja wohl überhaupt nichts an. Und noch weniger all die anderen Leute, die gebannt unserer Unterhaltung gefolgt sind und natürlich auch meinen letzten Ausruf gehört haben. Ich blicke mich um und erkenne in mindestens zehn Augenpaaren den gleichen Ausdruck, eine Mischung aus Betroffenheit, Sensationsgier
und – was am allerschlimmsten ist – Mitleid. Ich will euer Mitleid nicht. Michael hat bis jetzt noch nichts gesagt. Trotzig und mit zusammengebissenen Zähnen sehe ich ihn an. Soll er mir doch irgendeinen blöden Spruch reindrücken, mir egal. Aber er sagt nur:
    »Oh. Das tut mir Leid.« Ich spüre, wie ich einen Kloß im Hals bekomme, doch ich schlucke ihn energisch herunter. Das wär’s noch. Ich kenne den Mann doch gar nicht. Ja, er hat mich schon mal heulen sehen, nur war ich da halb bewusstlos vor lauter Tequila. »Ich sehe ein, dass das schrecklich für dich sein muss«, fährt er fort und streichelt meine Hand. Helen, reiß dich zusammen! »Kann ich dir vielleicht irgendwie helfen? Möchtest du darüber reden?« Ich konzentriere mich mit aller Kraft auf den sich langsam auflösenden Milchschaum in meiner Kaffeetasse. Nicht heulen, jetzt bloß nicht heulen! »Helen«, plötzlich steht er auf und zieht mich an der Hand mit hoch, »ich glaube, um dich sollte man sich heute ein bisschen kümmern.«
     
    Zwanzig Minuten später schließt Michael die Türe zu seiner und Nicks Wohnung auf und lässt mir galant den Vortritt. Ich

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