Venus und ihr Krieger
Valerius gelang es, durch geschickte Fragen die Gespräche in verschiedene Richtungen zu lenken, sodass Kunst, Wissenschaft, Geselligkeit und Politik in unterhaltsamer und lehrreicher Form erörtert wurden. Am höchsten jedoch wurde der schlagfertige Witz geschätzt, der zur Erheiterung der Gäste und zur Würze des Gastmahles diente.
Das Essen zog sich über mehrere Stunden hin, während Musikanten, Tänzer und Akrobaten die Gäste unterhielten. Aber auch die Gäste selbst trugen zur Unterhaltung bei. Der Senator Quintilius begeisterte die Zuhörer mit selbst verfassten Gedichten, eine der reich gekleideten Hetären beherrschte ein seltenes Musikinstrument aus Phönizien, ein Mime führte ein kleines Possenspiel auf und bezog die Zuschauer mit ein.
Doch damit nicht genug. Im Rahmen einer Tombola wurden Geschenke verlost. Valerius hatte die Tombolapreise paarweise zusammenstellen lassen: Man konnte entweder zehn Esel oder zehn Grillen gewinnen, zehn Silberbecher oder zehn Bleilöffel, zehn Pfauen oder zehn Hühnereier, zehn Sklaven oder zehn Teigröllchen. Der Spaß um die Verlosung lockerte die Gesellschaft auf und dann klatschte Valerius in die Hände, damit die leicht gekleideten iberischen Tänzerinnen ihre Vorführung beginnen sollten. Ihnen folgten als griechische Nymphen verkleidete Mädchen, die einen wahren Blumenregen auf die Anwesenden niedergehen ließen. Wurde der Wein bis jetzt nur mit Wasser vermischt getrunken, so ließen die ersten bereits das Wasser weg, um sich mit dem Wein Herz und Zunge zu lockern. Die geleerten Becher animierten zu vergnüglichen Gesprächen, die ersten Annäherungsversuche fanden statt, die von den männlichen wie weiblichen Gästen gleichermaßen forciert wurden. Der Wein entfachte erotisches Verlangen, förderte die unverhohlene Lüsternheit. Zärtlichkeiten wurden ausgetauscht, Umarmungen, Küsse. Die Musik wurde wilder, ekstatischer, der Tanz der Frauen frivoler. Die ersten Gäste gaben sich Liebesspielen hin, unbeeindruckt von den zwischen ihnen hin und her eilenden Sklaven oder den neben ihnen sitzenden Musikanten.
Pila hatte sich sehr zurückgehalten, doch ewig konnte sie nicht in der Küche bleiben, zumal sie mit ihrem feinen, blauen Gewand zwischen den übrigen Küchensklaven auffiel und Aurus sie fragte, ob sie denn keine bessere Kleidung für den Küchendienst hätte.
»Du musst endlich die Gäste bedienen, Pila!«, rügte Drusilla. Sie hatte es gut und konnte im Hintergrund bleiben.
An der Tür zum Speisesaal stehend, dirigierte sie die Diener an die Tafeln. »Ich komme gleich!«, erwiderte Pila und lief zurück zur Küche.
Irgendeine geheime Macht hinderte sie, den Speisesaal zu betreten. Sie hatte plötzlich Angst davor, in Claudius’ Augen zu sehen. Zu widersprüchlich waren die Gefühle, die in ihr kämpften. Die schwüle, zügellose Atmosphäre des Gelages ängstigte sie zudem. Doch sie hatte keine Wahl. Valerius hatte ihr zur Bedingung gestellt, auf dem Fest anwesend und ihm zu Willen zu sein. Dies war der Preis für ihr Haar. Es war ein übler Tausch mit dem kleinen Unterschied, dass den Verlust des Haares jeder sehen konnte, den Verlust ihrer Keuschheit aber nicht. Pila schauderte, wenn sie daran dachte. Dann atmete sie tief durch. Drusilla reichte Pila eine silberne Schale voller Weintrauben.
»Bring sie ins Atrium«, forderte sie Pila auf. Gehorsam nahm Pila die Schale entgegen. Vor dem Durchgang zum Atrium zögerte sie. Sie hörte Musik und Lachen, dazwischen wollüstiges Stöhnen. Aber sie konnte nicht länger verweilen, ohne Valerius zu erzürnen. Sie trat durch den Torbogen.
Der Speisesaal öffnete sich zu dem mit Säulen umstellten Garten. Sanfter Wind fächelte Kühlung herein. Im Raum wie auch im Garten standen mit sauberen Laken bezogene Klinen. Zu jeder dieser Liegen gehörte ein Beistelltisch, auf dem Schalen mit Obst und Weinbecher standen.
Pila erblickte Claudius. Er lag auf einer bequemen Kline, den Oberkörper von Kissen gestützt. Seiner Rüstung hatte er sich bereits entledigt, er trug nur einen Schurz aus leichtem Leinen. In der Hand hielt er einen silbernen Weinpokal, aus dem er genüsslich trank. Eine dieser nach allen Düften des Orients riechenden Frauen saß neben ihm. Er reichte ihr den Pokal und forderte sie zum Trinken auf. Sie war eine der kostspieligen Hetären, die Valerius eingeladen hatte, um die Männer zu animieren. Und sie verstand ihr Handwerk. Sie trug ein zartes, fast durchscheinendes Gewand, unter dem sich die
Weitere Kostenlose Bücher