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Venus

Venus

Titel: Venus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Buschheuer
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kopfschüttelnde Venus.
    »Wer überleben will, hat keine andere Chance«, sagt Bringfriede. »Gerade im Zeitalter des Kali-Yuga. Ich kenne deine Geburtsdaten nicht, aber du bist eindeutig ein neptunischer Mensch, das fühle ich, hier.« Sie nimmt Venus’ Finger und legt sie sich auf die flache Brust. »Da muss man aufpassen. Du willst doch nicht zu den Verdammten gehören?«
    Venus fröstelt. Gehört sie nicht bereits zu den Verdammten?
    »Heute ist indisches Programm, morgen katholisch, übermorgen muslimisch, schamanisch und jüdisch fallen aus, steht alles auf dem Plan«, sagt ihre neue Zimmergefährtin, die Venus bei sich Strickliesl tauft.
    Noch ist der Tag weit davon entfernt, überhaupt anzubrechen. Unsere Venus ist gezwungen, sich einzureihen in die Gruppe verschlafener Aschenputtel. Vorm Gemeinschaftsbad Schlange stehen, anziehen, barfuß und verpennt runter in den Regenbogensaal. Der ist noch dunkel, die Vorhänge noch zugezogen. Schlafdunst, Fußschweiß, Knoblauch und die Sommerhitze des vergangenen Tages schlagen ihr entgegen. Überall hocken, stehen, knien Menschen, auf Kissen, an den Wänden, im Zentrum des Raumes, im hinteren Drittel. Menschen mit und ohne Hut, mit und ohne Kopftuch, mit und ohne Schuhe. Es müssen dreißig oder vierzig sein, mehr vielleicht, schwer zu zählen. Erkennen kann sie keinen.
    Ein skurriler Geräuschfilm wabert durch den Raum. Worte, gebrabbelte Worte, höher, tiefer, schneller, langsamer, gesprochen, geflüstert, gesungen. Ein Horn macht einen heiseren Ton, Perlen klappern, geschäftig und einlullend zugleich, sehr fremd. Menschliche Stimmen verschmelzen zu einem gewaltigen Bienensummen. Dabei scheint jeder auf sein eigenes Lied zu beharren. Venus’ Augen gewöhnen sich an das Dunkel. Nun erkennt sie Toga im Schneidersitz auf drei Kissen sitzend. Wie Caesar thront der Diener des Dieners über allen anderen. Sie hört seine hektisch gezischten Worte aus allen anderen heraus, schneller, lauter, deutlicher als die anderen. Maria Magdalena sitzt neben ihrem Mann, viel tiefer, ohne Kissenthron, ohne Wimpern, ohne Stimme, ohne jeglichenSchick, nur mit Nickelbrille und Blumenkopftuch und raschelndem Rock. Durch ihre Hand gleiten die Perlen einer Kette. Sie macht das übliche unbeteiligte Gesicht.
    Unsere Venus, die immer noch nicht viel mehr als eine vage Ahnung hat, dass ihr Leben früher erheblich glanzvoller und annehmlicher war, zögert kurz, setzt sich aber in den ungewohnten Schneidersitz. Sie erkennt ihren Verbündeten Mau an seiner Silhouette. Er sitzt ganz in ihrer Nähe. Er ist in eine Art Stola gehüllt und schnarcht leise. Sie versucht, die Augen zu schließen, sich zu konzentrieren, in sich hineinzuforschen, in einem verborgenen Winkel ihres Selbst ihr Gedächtnis wiederzufinden. Es klappt nicht, die Gedanken driften ab, jedes Geräusch stört sie. Nach fünf Minuten beginnt ihr rechtes Knie zu schmerzen. Sie ändert ständig die Position. Neugierig dreht sie sich zu jedem Rascheln, jedem Zischen hin, dann immer wieder zur Uhr über dem Eingang, deren Zeiger gen 6 Uhr schleichen.
    Genau ihr gegenüber erkennt sie Benito. Er streckt als Einziger die Beine bequem von sich und schlürft geräuschvoll Tee aus einer Tontasse. Toga, der kurz aus seiner theatralischen Trance erwacht, springt auf, robbt auf Knien zu Benito und flüstert ihm etwas ins Ohr. Dieser verdreht die Augen, nimmt seine Teetasse, bringt sie hinaus und kommt ohne sie wieder herein, worüber der Orientale mit dem Korkhut kichert. Als Benito Venus sieht, hebt er lässig die Hand zum Gruß. Sie nickt ohne allzu große Emphase in seine Richtung. Sie weiß nicht, ob sie ihn mag.
    Vor ihr läuft der kubanische Koch klein und krummbeinig im weißen schmutzigen Rock auf und ab und murmelt und zischt. Kuki köpft in einer Ecke mit einer großen Schere Blumen, schnipp, schnipp, schnipp, undreiht sie zu Girlanden. Venus hört leise ihre Fußglöckchen klingeln. Bringfriede läuft ganz nach vorn zum Altar, der von einem Vorhang bedeckt ist, wirft sich auf die Knie und bekreuzigt sich mehrfach mit großen, ausholenden Bewegungen. Dann bleibt sie vorn sitzen, von Kopf bis Fuß in ein mit fremden Zeichen bedecktes weißes Baumwolltuch gehüllt, aus dem nur Füße und Vogelwaden hervorlugen, unter dem Tuch klappern unheilvoll die spitzen, langen Stricknadeln.
    Von einem Verlangen getrieben, dessen Ursprung nur wir allein kennen, sucht unsere Venus mit Blicken den Raum ab. Und dann sieht sie ihn endlich, den Bliss

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