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Venus

Venus

Titel: Venus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Buschheuer
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kümmern.
    Es gelang ihm, ein vorläufiges Visum für die USA zu bekommen. Doch als dieses abgelaufen und der zu pflegende Onkel gestorben war, hatte Arjuna so viel Geschmackam Kapitalismus gefunden, dass er nicht nach Hause zurückwollte. Er fand eine Anstellung als Chefkoch in der Küche der Tempelkirche zum Heiligen Franz sowie freie Kost und Logis unter der Voraussetzung, sich wie die anderen Glücklichen Sklaven Gottes den im Haus geltenden Regeln zu beugen. Er versprach, was immer Toga verlangte, und wurde ein Permanenter.
    Durch die Vermittlung Dritter lernte er Baula kennen, schloss mit ihr eine Scheinehe, für die er in Raten zahlte, und verliebte sich in die üppige nimmersatte Frau. Er hat das Gefühl, sie ist die Lösung für alle seine Probleme, und er vergisst, dass sie im Prinzip nur seine Geschäftspartnerin ist, der er im Übrigen noch zehntausend Dollar schuldet.
    Baula, die darauf besteht, ihr eigenes Apartment in Washington Heights zu behalten und Arjuna untersagt, sie zu besuchen, taucht jedoch fast täglich bei den Glücklichen Sklaven Gottes auf. Sie verbringt auch häufig die Nacht in seinem Zimmer, was gegen mehrere der geltenden Gebote verstößt. Er erträgt ihre Launen, erfüllt ihre Wünsche und tut alles in seiner Macht Stehende, um sie glücklich zu machen.
    Dass Baula bei ihrem ersten Besuch in seinem Zimmer seinen Altar zerstörte und seine geweihte weiß-rote Halskette zerriss, sodass Baula mit verzerrtem Gesicht in den wie in Zeitlupe umherspringenden Glasperlen stand und dabei eine unflätige Schimpftirade auf seine »Scheißgötter« losließ, hat er ihr verziehen. Auch dass sie verkündete, sie wolle so lange keinen Sex mit ihm, bis er seinen »Neger-Voodoo-Scheiß« aufgäbe.
    Wenn andere Permanente ihm berichten, wie Baula über ihn spricht, dass sie ihn betrügt, glaubt er es nicht, will er es nicht hören. Was immer sie tut, sie kannnichts dafür. Sie ist von einem Dämon besessen. Chango hat ihn zu ihr geführt, um sie zu heilen. Arjuna betet für sie. Er flüstert Beschwörungen und stellt neue Kerzen und Gläser mit Weihwasser unter sein Bett, wenn sie bei ihm ist. Er würde sie im Schlaf hypnotisieren. Er würde ein Huhn für sie schlachten, wenn sich ihr Zustand nicht bessern würde. Sicher würde sie ihn dann zurücklieben und mit ihm die wunderbare Religion seiner Väter.
    »Baula – Venus. Venus – Baula.«
    Die beiden Frauen bleiben stumm. Das Albinohuhn und der Stiefeltruthahn. Zwei Frauen mit Vergangenheit, auch wenn die eine nichts davon weiß und die andere nichts davon wissen will. Zwei Frauen, die es gewohnt sind, zu kriegen, was sie wollen, mit harten Bandagen zu kämpfen, bis zum unwiderruflichen Sieg. Der weibliche Instinkt der beiden schlägt Alarm. Die Feindschaft wird nonverbal besiegelt. Baula appliziert den tödlichen Händedruck. Venus erwidert ihn nach Kräften.
    Arjuna indessen hält das spröde Verhalten der beiden für auf ihn fokussierte Eifersucht.
    Im Hintergrund, von allen unbemerkt, setzt sich Toga auf einen Stuhl. Wieselflink wienert er den Silberrahmen eines Heiligenbildes. Die Wut rumpelt in seinen Innereien. Flittchen. Anders nennt er Baula bei sich nicht, obwohl sie natürlich ein Geschöpf Gottes ist, was sie nur vergessen hat und was auch er allzu gern vergisst. Diesem Flittchen ist es verboten, die oberen Stockwerke zu betreten. Zum Regenbogensaal kann er ihr den Eintritt nicht verwehren, das würde gegen die von ihm selbst erstellte Hausordnung verstoßen. Aber hier, hier will er sie nicht sehen. Der Diener des Dieners hält dieLuft an und unterdrückt ein Bäuerchen. Ruhig bleiben, denkt er, stützt sich mit beiden Armen ab und hüpft auf dem Stuhl in den Lotossitz. Mit durchgedrücktem Rücken und geschlossenen Augen will er den Gelassenheits-Prayer vor sich her sagen, aber er fällt ihm nicht mehr ein. Ruhig bleiben, zischt er sich wieder zu. Er wird tatsächlich ruhig, vor allem, als das Flittchen das Goldbrokatzimmer verlässt.
    Das ist Zen, denkt er stolz. Ruhig bleiben zu können das ist Zen. In Wirklichkeit hat er nicht die leiseste Ahnung, was Zen ist, aber er hat für den Notfall – falls es jemals einen Zen-Buddhisten zu den Glücklichen Sklaven Gottes verschlagen sollte – entsprechende Literatur bereitgelegt.
    Eben nimmt eine stattliche Kakerlake ihren Weg Richtung Buddhastatue, vor der eine Schale mit Tafelbirnen steht, die zu erreichen die Kakerlake für die Lösung all ihrer Probleme hält. Toga vergisst Zen,

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