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Venus

Venus

Titel: Venus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Buschheuer
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Gipfel. Er soll sie halten.
    »Ähm … Ich möchte keine Affäre«, sagt Bliss Swami, als habe er ihre Absicht gespürt, immer noch grabend, mit unwilligem Blick auf ihre Zigarette.
    Venus glaubt, sich verhört zu haben.
    »Ich möchte keine Affäre«, wiederholt Bliss Swami nachdrücklich. Er spricht den Satz wie einen Bannfluch.
    Sie kommt aus seinem Windschatten, läuft um ihn herum, sieht in sein Gesicht. Die blauen Augen ducken sich unter den Schilfbrauen.
    »Sag mal, spinnst du?«, schreit sie mit erstickter Stimme und ist beschämt, dass der Wind Zeuge ist und Sun Baba und die Taxihupen und die Martinshörner und die Wolkenkratzer (und wenn sie erst von uns wüsste!), beschämt, dass sie einen Korb gekriegt hat von einem Mönch mit Bauch, aber ohne Manieren. »Wer sagt denn hier was von Affäre?«
    Er sieht sie an und lächelt. »Ich bin froh, dass du einverstanden bist«, sagt er und umarmt sie. Es ist eine sehrabstrakte Umarmung, mit weggedrehtem Kopf und weggebogenem Körper, die erdigen Hände in die Luft haltend wie ein Chirurg, doch noch ehe sie ihm zeigen kann, welches Potenzial in einer Umarmung steckt, ertönt das Quietschen und Knarren der Stahltür.
    Sie springen auseinander wie umgedrehte Magnete. Toga steht vor ihnen, mit sicherem Instinkt für mönchisches Fehlverhalten. Venus beugt sich nieder und scharrt wie eine Irre im Beet, schuldbewusst als hätte man sie beim Kopulieren erwischt. Toga, dem man nicht anmerkt, ob er im Gegenlicht die Verfehlung hat sehen können, zieht den Swami am orangen Ärmel beiseite. Es sieht aus, als zöge eine Maus an einem Elefanten. Venus kann nicht hören, was sie miteinander besprechen. Geht es um sie? Fliegt sie nun raus?
    »… im Haus mithelfen …« sind die einzigen Worte, die sie verstehen kann. Dann bewegen sich die beiden auf Sun Baba zu, dessen Leiden heute offenbar kein Ende nehmen sollen.
    »Sag ihm, dass er sich hier einbringen muss, wenn er weiterhin in dieser Gemeinschaft leben will. Wir sind eine spirituelle Familie, jedes Familienmitglied hat Pflichten, daher möchte ich, dass er künftig zur Morgenzeremonie erscheint und täglich zwei Stunden freiwillige Arbeit leistet. Hier macht nicht jeder, was er will. Ich lasse mir nicht auf der Nase herumtanzen.«
    Toga schließt die Augen über der Nase, auf der kein Glücklicher Sklave ungestraft tanzen darf. Seine Lider flackern unruhig. Er atmet tief ein. Da ist es wieder, sein Temperament, das herumrennt wie ein durchgegangenes Pferd. Da ist sie, seine Wut, die umherhüpft wie ein Affe im Wald. Wie schwer es ihm aber auch gemacht wird! Wie doch Undank der Welt Lohn ist, unddas, wo vielmehr die Dankesschuld erdrückend sein sollte!
    Der Swami spricht leise auf Sun Baba ein. Dieser bewegt sich keinen Millimeter.
    Togas Stimme entcremt sich. Venus wird erstmals Zeugin davon, wie restlos und plötzlich sich Togas Stimme entcremen kann. Sie bekommt einen unangenehmen, fast schneidenden Klang.
    »Sag ihm, er soll sich nicht taub stellen, er soll gefälligst Gott dienen, und zwar zu unseren Konditionen. Wie das geht, das werde ich ihn wissen lassen. Zu gegebener Zeit!«
    Der Swami spricht wieder einige Worte, von denen Venus annimmt, dass sie keine direkte Übersetzung sind, da sie einen eher entschuldigenden abwiegelnden Klang haben. Vielleicht sagt er dem alten Mann, er solle sich nicht sorgen, er wolle sich schon für ihn einsetzen. Jedenfalls nimmt Venus ein leichtes Nicken von Babas Kopf wahr, genug, um Toga fürs Erste zu beruhigen. Sie hofft, dass der Diener des Dieners, den sie nun noch mehr verachtet, verschwindet. Sie hofft, dass sie eine zweite, etwas erweiterte Umarmung in Angriff nehmen kann, eine zärtliche Variation auf die erste, aber Toga hält nun wieder des Swamis orangen Ärmel fest. Die Maus zieht den Elefanten vom Dach, wo unsere Venus leidlich verwirrt, aber nicht ohne Triumph, zurückbleibt. Jetzt ist die Katze aus dem Sack, denkt sie, alles andere ist eine Frage der Zeit. Lolitahaft und, wie wir finden, etwas zu siegesgewiss dreht sie eine Strähne ihres weißblonden Spaghettihaares.
    *
    Den Fall entzogen! Kelly, dieser Lackaffe, sein Chef, hat ihm den Fall entzogen! Mit einer Halskrause, aus der sein rundes rotbäckiges Gesicht quillt, steht Boone zornig inmitten all des Krams, den er in den letzten dreißig Jahren in seiner Junggesellenbude angehäuft hat. Die Ereignisse überschlagen sich, und das ist etwas, was er überhaupt nicht kennt. Entmutigt setzt er sich auf einen Haufen

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