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Venus

Venus

Titel: Venus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Buschheuer
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Hotel. Kein warmes Wasser in der Dusche. Er verachtet den Job, den er machen muss. Er trifft Leute, die er doof findet. Er sieht keinen Ausweg.«
    Venus nimmt ihr Bier und starrt in die Flaschenöffnung. Innen ist ein Stück Glas abgeschlagen. »Wie kommt er da raus?«
    »Na, erst kriegt er mit, dass er machen kann, was er will, eine Bank überfallen, einen Unfall bauen, andere umbringen, sich umbringen, er wird immer wieder in diesem Hotelzimmer aufwachen, immer wieder am selben Tag, morgens um sechs. Er kann sich nicht mal umbringen, verstehst du? Das allerwichtigste Menschenrecht, über das eigene Leben und Sterben zu entscheiden, nicht mal das hat er.«
    Venus ist unruhig. Hier in dieser verräucherten Kneipe, ausgerechnet mit Benito, kommt sie der Lösung der Dinge so nahe. Vollkommen unverhofft, eher beiläufig, wird einen Spaltbreit der Vorhang geöffnet. Und ausgerechnet von Benito. Die nächsten zwei Flaschen Bier ordert sie. Sie zündet sich eine Zigarette an.
    »Sag mir, wie er da rauskommt.«
    »Na, er kapiert, dass er die Situation nicht ändern kann, dass er die anderen Leute nicht ändern kann. Das Einzige, was er ändern kann, ist sich selbst.«
    Benito leert glucksend die nächste Flasche. Er wischtsich über die Stirn und setzt gedankenverloren die Wollmütze ab. Venus verkneift sich ein Kichern. Benito hat eine spiegelblanke Glatze, die clownesk von dunklen Locken umkränzt ist.
    »In seinem Leben gibt es kein Morgen. Er kann nichts auf morgen verschieben, nicht auf den nächsten Tag hoffen, er hat nur eine Chance. Er muss das Beste draus machen.«
    »Komisch, dass ausgerechnet du das sagst.«
    »Wieso?«
    »Weil du aus allem das Schlimmste machst.«
    »Nein, wirklich, theoretisch ist mir das klar. Ich kann nur aus meinem eigenen Gefängnis nicht raus. Der Typ fängt an, freundlich zu sein, hilfsbereit, er lernt Klavier spielen, Fremdsprachen, Skulpturen aus Eis machen, er weiß zum Beispiel, wohin er jeden Tag rennen muss, also in welchen Park, um einen Jungen zu retten, der vom Baum fällt.«
    Venus sieht Benito verwundert an. Er sieht gar nicht so schlecht aus. Die Glatze steht ihm, sie öffnet seinen Blick. Ist das Betroffenheit in seinem Shar-Pei-Gesicht? Sind das Tränen in seinen Bernhardineraugen?
    »Er macht aus dem Scheißtag einen schönen Tag«, sagt sie nachdenklich. »Sollte die Lösung so einfach sein?«
    »Das ist der Schlüssel.«
    »Aber der Ring war nicht im Zimmer.«
    »Es gibt keinen Ring. Und es gibt auch kein Zimmer. Das existiert alles nur in unserer Einbildung.«
    »Wenn es so einfach ist, warum machen wir es dann nicht alle? Du zum Beispiel. Wenn du den Schlüssel hast, warum schließt du dann nicht einfach die Tür auf?«
    »Na ja, Honey, es ist so, ich hab zwar den Schlüssel«,Benito rülpst leise, während er die (wie vielte?) leere Bierflasche über sich hält, um noch ein paar Tropfen in seinen kleinen Mund zu schütten, als gösse er ein Wahrheitsserum in sich, »aber es gibt keine Tür.« Sein blasses Gesicht mit den verwelkten Lippen ist von ganz konkreten Erwartungen beherrscht.
    Sie schweigen. Unvermittelt nimmt er ihre Hand mit seiner klammen, flaschenkalten. »Vielleicht, wenn ich nicht so allein wäre«, sagt Benito mit der durchsichtigen Hinterlist eines Betrunkenen. Sie zieht ihre Hand weg.
    »Der Typ hat sich nämlich nachher in eine Frau verliebt. Und erst, als er ihr Herz erobert, in nur einem Tag, erst als sie freiwillig bei ihm bleibt und mit ihm die Nacht verbringt, kein Sex, nur in seinen Armen liegt, wird er erlöst.«
    »Das ist wenigstens mal ’ne originelle Anmache«, sagt Venus und lacht versöhnlich. Dann sieht sie Benito, einen Schluckauf bekämpfend, mit hängenden Schultern, die Füße um den Barhocker geschlungen wie ein Affe, ein trauriger einsamer Langarmgibbon mit einem kahlen Eierkopf und einem Hundegesicht. Er hat den Schlüssel, und er denkt, sie ist die Tür. Die Tür steigt vom Barhocker und umarmt den Schlüssel. Soll er sich alles von der Seele heulen.
    »Im Ernst.« Benito denkt aber nicht ans Heulen, er kaut vielmehr an ihrem Ohrläppchen, der Schlüssel will rein ins Schloss, das ist die Natur des Schlüssels. »Ich finde dich sehr attraktiv und …« Benito lallt einige Schweinereien. Sie macht sich los. Eine Bierflasche fällt um und ergießt sich auf den Tresen, den Barhocker, den Boden. Die Barfrau ruft den Türsteher und zeigt auf beide.
    Venus ist schon am Ausgang. »Glaub mir, ein Mönch,der wird dich auch nicht

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