Venus
Mehrfach wurde er von der Polizei aufgegriffen, als er an einem selbst gebastelten rindsledernen Spezialgurt an Dachrinnen der Nachbarschaft hing und in Schlafzimmerfenster spähte, ein Fernglas in der linken Hand, sein Geschlechtsteil in der rechten.
Es wusste keiner, und es kümmerte auch keinen, dass eine zarte Seele in Dexters schwerem Körper wohnte, wo sie sich um die Herrschaft stritt mit seinem Trieb und unterlag, begünstigt durch die fehlende Erfahrung der Zuneigung. Denn noch bevor Dexter jemals Liebe, körperliche und seelische Liebe erfahren konnte, fand er sich im Kinderheim, in der Jugendstrafanstalt, in Selbsthilfegruppen. Schließlich nahm ihn ein katholisches Kloster auf, wo er Geselle eines Bildhauers wurde, dann selbst Bildhauer, schließlich Mönch. In diesen zehn Jahren entstanden ganze Herden von Franziskus-Statuen. Der katholische Heilige, der mit Tieren sprach, anstatt mit Frauen zu kopulieren, war sein unerreichtes Vorbild. Die gelungenste Franziskus-Statue wurde zum Vatikan geschickt (der das Geschenk übrigens dankend ablehnte und zurückschickte, was unser Swami entweder nie erfuhr oder nie wahrhaben wollte), die kleinste brachte er viele Jahre später in die Tempelkirche zum heiligen Franz.
Es fiel Dexter leicht, der Welt, die es nie gut mit ihmmeinte, Adieu zu sagen. Die Geilheit fuhr immer seltener in ihn, aber wenn, dann wie ein Blitz, so brachial, dass der bullenhafte Trieb, der Dexters zarte Seele wie ein Hälmchen niedertrampelte, blind irgendein Opfer suchte, und zwar das nächstbeste. Jedoch führte nicht die Tatsache, dass er Stammkunde im benachbarten Bordell war, zu Dexters Rausschmiss, sondern dass er in einer jener Nächte, als er die schreckliche Schlacht gegen seinen Trieb führte, aus Ton die Heilige Mutter Gottes modellierte, stehend, nackt und zwischen den Beinen blutend.
Es geht das Gerücht, dass der Abt Künstler und Kunstwerk obendrein in enger Umarmung fand, als er im Morgengrauen das Atelier betrat.
Dexter ging nach New York, versuchte sich als Künstler, scheiterte jedoch schon an der Atelierbeschaffung und begegnete mit 27 Jahren, ohne jemals ein Mädchen geküsst zu haben, denn in Puffs und Klöstern wird nicht geküsst, Toga. Dieser erzählte ihm die Wir-sind-so-voll-Geschichte und machte Dexter nach und nach zu dem, den wir kennen gelernt haben, den ruhig lächelnden Bliss Swami.
Er war es, der Toga zuriet, die Kirche zum heiligen Franz zu kaufen, er war es, der Toga veranlasste, Maria Magdalena zu heiraten, er wurde der ausgleichende Widerpart, Togas bessere Hälfte, jedenfalls, solange er sich in der Gewalt hatte. In der Hare-Krishna-Bewegung, die genauso lustfeindlich war wie sein Elternhaus und das Kloster, hatte das ungeliebte riesige Findelkind sein Zuhause gefunden.
Die ersten drei Jahre lang ging auch alles gut. Doch dann klaute Dexter die Telefonkasse und hastete zum Times Square, zu Fuß, im strömenden Regen, in derMönchskutte, eine Nutte suchen. Nach einer weiteren dreijährigen Pause fand er im Treppenhaus eine Zeitung mit erotischen Annoncen. Er nahm sein Erspartes, fünf Dollar und sieben Cent, die auf den Straßen New Yorks eingesammelten Pennys der letzten Jahre, und konnte das mitleidige ältliche Freudenmädchen zu einer Handmassage überreden.
Hinterher war es immer dasselbe. Wie plötzlich es umfiel, das brüllende fickende Tier in ihm, wie es in den Staub fiel und verreckte! Wie elend er sich fühlte, wie schmutzig, schwach, krank, ja, er fühlte sich krank, pervers, nicht wert, ein Mönch zu sein, nicht einmal wert, ein Mensch zu sein. Das war alles? Dafür setzte er sein Seelenheil aufs Spiel? Was für eine himmelschreiende Enttäuschung! Sterben wollte er, nur noch sterben, Hand anlegen, diesmal an sein Leben, aber das ging ja auch nicht, weil er dann ein Geist würde und herumspuken müsste und immer noch geil wäre, aber nicht mehr zu befriedigen. Er büßte, kasteite sich, betete nächtelang, schwor sich und Gott Besserung. Er rasierte seinen Schädel, bügelte seine Kutte, stand stundenlang auf dem Kopf, unterzog sich einer strengen Fastenkur, las in den Vedischen Schriften, er büßte so drakonisch, so demonstrativ, so offenkundig, bis auch der letzte Permanente wusste: Unser Bliss Swami war wieder im Puff.
Als aber God’s Motel geöffnet wurde, kam der Puff in die Kirche. Frauen aus aller Welt, verheiratete Frauen, ledige Frauen, geschiedene Frauen, verwitwete Frauen. Sie waren klein, groß, dick, dünn, mit und ohne
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