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Venus

Venus

Titel: Venus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Buschheuer
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fällt auf den Rücken, Blut sprudelt aus seinem Bauch, er hat weder eine Waffe noch sieht Venus ein Verbrechergesicht, als sie ihm dieMaske abzieht. Er ist ein junger Bursche, mit trotzigem Mund und einem T-Shirt, auf dem »Don’t waste, my time« steht. Er hat es getan, weil er arm war, weil er cool sein wollte, weil er Liebeskummer hatte, weil er einen Film gesehen hat, wo das einer macht, und jetzt, nur ein paar Augenblicke später, ist er tot.
    »Notwehr«, sagt der Verkäufer und tippt 911 ins Telefon. »Du kannst das ja bezeugen.« Sie dreht sich um und läuft weg, läuft weiter durch den Regen ins Unbekannte, Hauptsache, weg.
    »Hey, Nixe«, ruft jemand durchs runtergelassene Autofenster, »Zeit für’n Kaffee?« Sie bleibt stehen. Sie ist vollkommen durchnässt und ganz klamm. Und obwohl die Luft brütend heiß ist, ist ihr kalt. Sie steigt ein.
    »Du bist wohl keine Amerikanerin«, sagt der Mann hinterm Steuer. »Eine Amerikanerin wäre niemals eingestiegen.«
    »Ich bin Polin«, sagt sie und wischt sich ihr Gesicht am Ärmel ihres Jogginganzugs trocken.
    »Das geht für mich in Ordnung«, sagt er und lacht.
    »Und du?«, fragt sie.
    »Brooklyn«, antwortet er, »ich komm aus Brooklyn.« Ein Straßenlicht beleuchtet sein großflächiges Gesicht, die dunkelrote Hornbrille, vor allem die Stirnglatze. »Ich heiße Joseph«, sagt er, »ich bin im Begriff, die Welt zu retten.«
    »Du könntest eventuell mich retten anschließend«, sagt Venus.
    Er mustert sie unschlüssig. »Ich wünschte, das wäre eine sexuelle Anspielung«, sagt er.
    »Ich auch«, sagt sie, »aber leider. Da muss ich passen. Ich bin nämlich Nonne. Und außerdem verlobt.«
    Er parkt rasant in zweiter Reihe.
    »So, so, eine verlobte polnische Nonne, interessant.«
    Er führt sie in ein Lokal, das einen doppelten Glasfußboden hat, in welchem sich zerbrochene grüne Bierflaschen befinden, und lädt sie zu diversen Drinks mit komplizierten Namen ein, die sie folgsam nacheinander leert, bis sie Josephs großen Kopf dreimal sieht.
    »Wenn du dein eigenes Todesdatum wissen könntest, würdest du es wissen wollen?«, fragt sie. »Nehmen wir an, ich geb dir jetzt einen Briefumschlag und da steht das drin. Würdest du ihn öffnen?«
    Joseph fixiert sie, den großen Kopf aufgestützt, mit glasigen Augen.
    »Hast du die Frage verstanden?«
    Er nickt langsam. »Ja, es ist nur, ich brauche den Umschlag nicht zu öffnen, weil ich mein eigenes Todesdatum selbst rausfinden kann, wenn ich will.«
    »Ach, wann wäre das denn? Wann wirst du sterben?«
    Er schließt die Augen für einige Sekunden, grinst dünnlippig und sagt: »Morgen. Wirst du dann heute mit mir schlafen, wenn ich morgen tot bin? Ausnahmsweise.«
    Sie schüttelt den Kopf. »Wie gesagt. Nonne«, lallt sie.
    »Und verlobt«, lallt er.
    Sie prosten sich zu, Joseph packt Zigaretten auf den Tisch, sie rauchen und trinken und später, im Auto, baut er einen Joint. Sie rauchen schweigend. So schlecht sieht er eigentlich nicht aus, denkt unsere Venus und lässt ihren Blick wohlwollend auf Josephs drei großen Köpfen ruhen. Und warum eigentlich nicht mit ihm schlafen? Sie stellt sich vor, wie sehr das den Bliss Swami kränken würde. Oder würde er Gott dafür danken?
    »Dann gehen wir eben jetzt tanzen«, ruft Joseph. Das andere Thema scheint ohnehin vom Tisch. Sie fahren nach Midtown, in eine Diskothek, die Musik aus denAchtzigern spielt. The Cure, Roxy Music, Alphaville, Boy George, sie kennt jedes Lied, sie kennt alle Texte. Sie hat ihr ganzes Leben vergessen, aber diesen Mist, den weiß sie noch. Sie tanzt, unsere voll trunkene Venus, sie tanzt allein, sie tanzt wild, sie strauchelt, fällt um, landet mit dem Hintern auf dem Tanzboden, steht schwankend wieder auf.
    Joseph, der ja schließlich den Eintritt bezahlt hat, gockelt nun um sie herum, schiebt sich immer näher heran, versucht, sie anzutanzen, zu drehen und zu umarmen, das alles will sie nicht, das wehrt sie ab.
    Es ist morgens um zwei, als sie zurückfahren Richtung East Village. Slalom. Joseph raucht noch einen Joint, auf der anderen Straßenseite stehen die Cops.
    »Scheiße, steck mal ein«, sagt Joseph und gibt ihr etwas in Papier Eingewickeltes. Er wirft den Joint aus dem Fenster. Venus ist schwindelig und schlecht. Hinter ihr trötet das Martinshorn, sieht sie den Polizeiwagen heranziehen. Da plötzlich fühlt sie seine Hand in ihrem Schoß, sich derb in ihren Hosenbund wühlen wollend. Sie schiebt Josephs Hand weg, doch die kommt

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