Venus
den Mund und sagt: »God bless you.«
»Ach, du bist das«, brummt er nur.
Venus sieht sich um. Sie kennt die Gegend.
»Hey, aber ich weiß, wo du baden kannst und frühstücken.«
Er sieht sie unentschlossen an. Seine Füße sind nackt und verkrustet vor Dreck. Die Nägel sind verhornt und eingewachsen. Der große Zeh ist geschwollen, beulig und entzündet. Venus denkt an den Pflock, der durch Sun Babas Glied gestoßen wurde. Sie denkt an Baula und Bliss Swami, ineinander verkrallt, schwitzend, fickend.
»Ist das weit?«, fragt der Penner.
»So vier Blocks.«
Peter Jr. steht ächzend auf und packt seine Sachen zusammen. Eine alte Plastiktüte, zum Bersten voll mit Lumpen, ein Henkel abgerissen. Einen kaputten Regenschirm. Eine Decke. Er humpelt. Beim Laufen sieht er auf den Boden.
»Da«, sagt er und zeigt genau vor sie. »’n Penny. Heb mal auf und gib ihn mir.«
Sie hebt den Penny auf und gibt ihn ihm. Er spuckt dreimal drauf, steckt ihn ein und hat plötzlich das Gefühl, dass der Penny die Lösung für alle seine Probleme ist.
»Da«, ruft er, als sie schon fast da sind, »noch ’n Penny!«
Sie bückt sich, um den Penny aufzuheben. Da sieht sie, genau daneben, im Staub des Straßenpflasters, etwas Silbriges, Glänzendes. Sie streckt die spillerigen Klavierfinger danach aus, erkennt es, schließt die Faust, öffnet sie wieder. Es ist ihr Verlobungsring. Sie küsst ihre Faust.
Warum hat sie ihn weggeworfen? Warum war sie so traurig, so enttäuscht? Alles ist vor ihrer Zeit geschehen. Deshalb hat sie ihn wiedergefunden. Sie sollte erleichtert sein, dass der Swami nicht der Heilige ist, für den sie ihn hielt. Als die Tempelkirche in Sichtweite ist, beschleunigt sich ihr Herzschlag. Es wird Tag. Der Bliss Swami macht sich sicher schon für die Morgenzeremonie fertig. Vielleicht steht er bereits unter der Dusche. Ob er seine Kutte wieder trägt? Ob er sich als entlobt empfindet, nachdem sie ihn weggeschickt hat?
Sie bringt den Penner in eins der Badezimmer und lässt ihm Wasser ein. Die Bahnhofsuhr im Goldbrokatzimmer zeigt 4.45 Uhr. Von weitem hört sie einen Schlüssel klirren. Toga. Das Schlüsselbund ist seine Krone, sein Zepter, sein Speer. Wie Mutter Oberin kündigt er seine Ankunft an, gleichzeitig Warnung und Einschüchterung. Schon steht er vor ihr und erfasst die Lage mit kurzem flackerndem Blick, den Stoßseufzer bereits in der Kehle, die Wut bereits in den Gefäßen, aber noch zu schläfrig für cholerische Ausbrüche.
»Venus, kann ich dich sprechen?«
Er geht mit ihr auf den Flur, so schneidig, dass er einige Sekunden warten muss, bis sie nachkommt.
»Du kannst hier keine Penner mit reinbringen. Ich habe das auch schon mehrfach Kuki gesagt.«
»Ich denke, das ist ein Zufluchtsort für verlorene Seelen?«
»Ja, aber was sollen die Gäste sagen, die sich hier Flöhe und Läuse holen?«
Reste von Alkohol und Marihuana machen Venus übermütig: »Sie sollten Gott dafür danken.« Doch Togas Gesicht versteinert, die Augen quellen heraus. Da packt sie den Diener des Dieners am Gutmenschentum.
»Ich wollte ihm nur Prasadam geben.«
Anderen Menschen geweihtes Essen zu geben gilt unter den Glücklichen Sklaven Gottes als vorbildliche Tat. Man kann damit himmlische Verdienste erwerben und schlechtes Karma abtragen, einen Mord zum Beispiel. Man kann eine Stufe weiterkommen auf der spirituellen Leiter. Toga selbst verteilt Prasadam, wo immer er geht und steht, ja, er isst selbst tapfer Unmengen davon, obwohl es ihm nach jeder Mahlzeit fast die Därme zerfetzt, innere Spiritualisierung ist nun mal kein Wunschkonzert. Aber muss es gleich ein Penner sein, der gefüttert wird? Und gebadet? Im eigenen Haus?
»Gut«, sagt schließlich Toga, in einem Tonfall, der dies alles andere als gutheißt. Die Frau ist das Tor zur Hölle, nichts anderes hat er von Anfang an gesagt. Diese jedenfalls, sie bringt nichts als Ärger, verdreht seinem guten Freund, dem Bliss Swami, den Kopf, schleppt Krätze ins Haus und hat obendrein eine Fahne.
»Bitte putze nachher das Bad und bringe ihn mit zur Morgenzeremonie.«
»Hast du was Frisches zum Anziehen für ihn?«
Toga seufzt, macht eine fast militärische Drehung, öffnet den Schrank und zerrt ungehalten einen grünenWäschesack heraus, er scheint den Sack mit seinen kleinen behaarten Händen regelrecht zu würgen.
»Den hab ich von der Laundry-Besitzerin geschenkt bekommen. Nicht abgeholte Sachen.«
Venus öffnet den Sack. Warum holen Menschen ihre Sachen
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