Venus
zurückhabenwill, die Liebe ohne Belohnung, die bedingungslose allumfassende Liebe. Wie eine glühende Sternschnuppe ist Venus in seinem Leben aufgetaucht, hat seine Mönchskutte weggeschmolzen, seine Sinne verwirrt, sein Herz berührt. Doch wie nun weiter?
Ich will lieber mit ihm in seiner Welt sein als ohne ihn in meiner, denkt Venus, obwohl sie nur eine vage Vorstellung von seiner Welt hat und überhaupt keine von ihrer.
Ob die Yuppies inzwischen weitergekommen sind mit meinem Fall?, denkt Daniel H. Boone, der nun wieder mit rosigen Bäckchen in seinem schief gezimmerten Bett liegt, der so gut wie genesen ist, der sich um die mit Toga vereinbarte Mitarbeit in der Community gedrückt hat und der sein Zimmer bis dato so selten wie möglich verlassen hat. Sein Fall. Es ist immer noch sein Fall, obwohl er sich seit seinem Einzug in God’s Motel nicht mehr damit befasst hat. Jetzt plötzlich interessieren ihn die neuesten Entwicklungen. Er steigt ächzend aus dem Bett und schickt sich an, auf der Straße eine Zeitung zu kaufen.
Ich bin so deprimiert, denkt Benito, der in seinem Verschlag auf einem dilettantisch gezimmerten Stuhl sitzt, die Hand am Schalter der Stehlampe. »Der Stein in mir ist zu schwer.«
»Komm, du kleine Sau«, keucht leise Mau unter der Dusche, den nackten Krishna im blauen Tanga vor Augen, »komm her mit deiner göttlichen Flöte.«
»Ich habe meinen Engeln befohlen, dass sie euch behüten auf allen euren Wegen«, ruft Bringfriede in ihrer Zelle in der Klapsmühle Richtung Tür.
Ich hab alles falsch gemacht, denkt Kuki und betrachtet traurig das Kinderfoto in ihrem Medaillon.
Was fällt der Schlampe ein, mir den besten Ficker wegzunehmen?, denkt Baula, die, besinnungslos vor Geilheit, im düsteren Keller hockt und auf ihr nächstes Opfer wartet.
»Chango, nimm den bösen Zauber von meiner Frau«, murmelt Arjuna, der in Priestertracht in seinem Zimmer kniet, in der linken Hand ein Foto von Baula, in der rechten Hand ein panisch flatterndes Huhn.
Eine sexlose Ehe – das ist wirklich zum Kotzen, denkt Maria Magdalena, die zusammen mit Toga Blumengirlanden knüpft, jede körperliche Berührung vermeidend.
Eine sexlose Ehe – das ist wirklich zum Kotzen, denkt Toga, der zusammen mit Maria Magdalena Blumengirlanden knüpft, jede körperliche Berührung vermeidend.
Erinnerungen sein Stachelschweine, denkt Scheich Ramzi, der Suleikas Haarsträhne in seiner schmutzigen Hand hält. Ich brennen Bude hier an, Allah sein Zeuge, ich brennen alles weg!
Es ist wie ein leises Fade-out, wie ein seufzender letzter Atemzug, als New Yorks Lichter ausgehen, eines nach dem anderen. Die Laternen, die Reklameschilder, die Ampeln, die Kneipenbeleuchtungen und alle Fenster werden dunkel, Licht für Licht erstirbt, erlischt, weil wir es so wollen. Erst weiß Venus gar nicht, was los ist. Irgendetwas ist jedenfalls anders. Sie sagt: »Es ist so …« und Bliss Swami vollendet: »… dunkel.« Beide beugen sich über die Brüstung, im fahlen Mondlicht, das plötzlich, ganz auf sich gestellt, vor sich hin funzelt.
»Sieht nach Stromausfall aus«, sagt der Swami ruhig. Er sieht keinen Anlass zur Beunruhigung. Er hat schonviele Stromausfälle erlebt. »Sieht nach Weltuntergang aus«, sagt Venus, und in ihrer Stimme schwingt die Hoffnung mit auf einen Tanz auf dem Vulkan. Sie halten sich an den Händen und starren auf die dunkle Stadt, die keine Skyline mehr hat, keine Konturen, die zum schwarzen Loch geworden ist, in dem Autoscheinwerfer wie verirrte Glühwürmchen umhergeistern. New York, in tiefe Nacht gehüllt, mit verbundenen Augen brüllend, im Hitzetaumel, in heilloser Verwirrung. In Nächten wie dieser wird über das Schicksal der Welt entschieden. Nach Nächten wie dieser wird nichts mehr sein, wie es war.
Im Regenbogensaal gehen die elektrischen Blumensträuße aus, die Altarlämpchen verglimmen, das gedimmte Deckenlicht verlöscht. In Küche und Keller rumpeln die Kühlaggregate ein letztes Mal auf, um einer alarmierenden Stille zu weichen. Im Goldbrokatzimmer verstummen die singenden Mönche, die Klimaanlagen und Ventilatoren rotieren langsam aus. Dann klingelt das Telefon. Toga, der wieselflink eine Kerze angezündet hat, nimmt den Hörer ab. »God’s Motel«, säuselt er und wiederholt heftig nickend Bruchstücke erster Gerüchte. »Feuer in der U-Bahn-Station. Aha. Explosion am East River. Ja. Ja. Terroranschlag? Weiß man noch nicht. Aha. Ganz Manhattan ohne Strom.« Der Diener des Dieners legt
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