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Venus

Venus

Titel: Venus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Buschheuer
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geratene Zeitung fällt ihm in den Schoß. Boone und Venus blicken kauend auf die Titelseite.
    Neues vom Steakmessermodel. Die Spur führt ins East Village. Verena Palmen (Foto), das »Steakmessermodel«, nach dem seit Wochen in den Vereinigten Staaten gefahndet wird, soll nach dem Millionenerben-Mord auch an einem bewaffneten Überfall auf einen Grocery Store beteiligt gewesen sein. Ramhad Nakschbandi, das Opfer, sprach exklusiv mit der New York Post, Fortsetzung Seite drei.
    Das Foto zeigt unsere Venus in einer leicht affektierten Pose, werbend für ein Kosmetikprodukt, das sie in ihren Händen hält. Darunter steht: Das Steakmessermodel in rosigeren Zeiten . Inspektor und Venus verharren für einige Sekunden mit gesenkten Köpfen in der Leserpose. Dann sehen sie sich an, die Augen wandern von links nach rechts, in ihren Mundhöhlen verbleiben ungekaute Muffinreste. So, jetzt bin ich also erkannt worden, denkt Venus, und Klatschmohn wächst auf ihrem Schwanenhals. Jetzt werde ich also nicht nur wegen Mordes gesucht, sondern auch noch wegen bewaffneten Raubüberfalls, denkt sie, das wird ja immer besser. Dieses Mädchen hat niemanden umgebracht, denkt Boone, der zwar die Autorität des Inspektors verloren hat, aber nicht seinen Instinkt. Dieses Mädchen hat auch kein Geschäft überfallen. Und sie ist viel schöner als auf den Fotos.
    Er schwitzt noch mehr. Vielleicht ist er nicht ganz objektiv, aber was soll’s, er ist im Urlaub. Er schlägt die Titelgeschichte diskret nach innen, beide wenden sich voneinander ab, als seien sie bereits am Ende einer kurzen und belanglosen Konversation angelangt, und jeder denkt seinen Teil.
    Boone sieht sich nach den anderen um, vorsichtig macht er von seinem Hals wieder Gebrauch, der ihm, obwohl er kurz und muskulös ist, etwas zerbrechlich vorkommt, seit die Gipsmanschette abgenommen wurde. Während sich der Kleinbus einen Weg durch das selbst für New Yorker Verhältnisse ungewöhnliche Chaos bahnt, betrachtet der Inspektor zerstreut die wunderliche Gesellschaft, in der er sich befindet.
    Während Boone sich im Gesicht des Indianers feststarrt, von dessen Schoß er gerade geflohen ist, blitzen Einzelheiten der letzten Wochen in seiner Erinnerung auf. Der mausetote Tunichtgut mit dem vollen Haupthaar. Das Foto des auf ihn zulaufenden Models. Das Messer, das immer wieder aus ihrer schmalen weißen Hand fällt. Der Kuss im Tompkins Square Park. Das rote Kleid der dicken Inderin. Der Unfall.
    Mau indessen errötet unter dem Blick des Mannes, der eben auf seinem Schoß gesessen hat, und ist versucht, ihm zuzuzwinkern. Seine Hände fahren zur Stirn, um das Haar zu richten, ertasten die vergessene Duschkappe, ziehen sie verschämt vom Kopf. Er spürt den Männerhintern noch wie ein heißes Brikett in seinem Schoß. Mit jeder Faser seines fetten ungeliebten Körpers schreit er nach Aufmerksamkeit.
    Aber Boones Blick ist schon weitergewandert. Der Mann neben dem Indianer kam ihm schon vorhin im Treppenhaus bekannt vor. Ein nordischer Typ mit kurzen blondgrauen Stoppeln, buschigen Augenbrauen und vollen roten Lippen. Ruhig und sanft blickt er aus blauen Augen, der Riese, lächelt ihn freundlich an. Nein, er lächelt die Frau neben ihm an, er lächelt die Apfelblüte an!
    Die Robe! Natürlich! Das ist der röhrende Hirsch aus dem Kirchenschiff. Das ist der Mann, der den brummendenSingsang veranstaltet hat, der Mönch, den er so um seine Konsequenz beneidet hatte. Aber warum ist er in Zivil? Und warum lächelt er eine Frau an? Verliebt an? Neben dem Mönch sitzt im Schneidersitz der Inder, der auf dem Mönchsbuckel geritten ist, ein so dünner Mann, dass man die Rippen zählen kann, so alt, dass man meinen möchte, er mumifiziert schon. Der Alte trägt eine Sonnenbrille, sitzt im Schneidersitz und ist nur mit einem Lendenschurz bekleidet. Seine Haarsträhnen sind lang und grau, sie hängen fast bis auf den Boden.
    Was hatte die Ehefrau des Opfers gleich noch mal gesagt? Sie sei zur Tatzeit verabredet gewesen in einem Café auf der Upper West Side, ein Kellner sei Zeuge. Hat er das Alibi überprüft? Hat irgendjemand das Alibi überprüft? Neben dem Yogi sitzt das Kind und spielt an dessen Haaren herum. Der Alte kümmert sich nicht darum. Aber jetzt, im immer wieder von Scheinwerfern aufgeleuchteten Halbdunkel des Busses, sieht Boone, dass das Kind gar kein schmutziges Gesicht hat, die Haut ist dunkel, es ist ein indisches Kind. Wenn sich bis morgen früh niemand meldet, will er bei den

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