Venus
mit, wir hatten ja vereinbart, dass Sie täglich zwei Stunden bei uns arbeiten. Das wären jetzt …«, in Togas Kopf rattert eine Zählmaschine, »… 12 Stunden, so weit.«
»Ich war krank«, sagt Boone. Auf müde Ausreden wie diese reagiert der Diener des Dieners gar nicht. Als ob er selbst nie krank wäre. Als ob er deswegen seine Pflicht vernachlässige. Er raunt seiner Frau, die in der Tempelkirche zurückbleibt, einige Anweisungen zu und richtet das Wort wieder an den verstockten Gast.
»Wir fahren zu unserem Supermarkt ins West Village. Er gibt Lebensmittel kostenlos heraus, weil die Kühlanlagen ausgefallen sind. Wir werden ein Fest machen, ein One-God-Fest, um die Obdachlosen zu speisen. Haben Sie Besuch?«
Das Kind hat sich von Boones Hand losgerissen und die Arme verschränkt. Sein dunkles Gesicht blickt bockig in die Welt. »Ich will zu meinem Dad«, sagt es hell und empört. »Es saß vor der Tür«, ergänzt Boone ratlos und zeigt auf die Tür, als wolle er jeden Zweifel ausräumen.
»Möchtest du einen Muffin?«, fragt Toga und hält dem Kind die Schüssel hin. Das Kind schüttelt den Kopf, aber alle anderen bedienen sich, Boone eingeschlossen. Boone hebt den duftenden Muffin an seine Nase. Überaus angenehme Erinnerungen bemächtigen sich seiner. Er beißt kräftig hinein und schnauft vor Behagen. Mau stapelt ganze Muffintürme auf seinen drallen Handflächen. Er ist ärgerlich, weil er von Toga zum wiederholten Mal in Folge beim Onanieren gestört worden ist. Und wenn er ärgerlich ist, ist er immer besonders hungrig. Toga fühlt sich offenbar in der Pflicht, Konversation mit dem Kind zu machen. »Wo ist denn dein Dad?«, fragt er mäßig interessiert. Das Kind lässt seinen Blick über die merkwürdige Gesellschaft schweifen, die nach und nach in den Kleinbus klettert. Er bleibt hängen an dem Alten, der wie ein Äffchen auf dem Buckel des Riesen sitzt.
»Nicht hier«, sagt es missmutig. Dann zupft es an Boones Ärmel: »Will auch! Will auch!« Schnaufend und ächzend nimmt der Inspektor den Muffinrest in den Mund und das Kind huckepack, es ist warm und weich und schmiegt sich an ihn, und für den Bruchteil einer Sekunde wärmt das Kind durch seinen Buckel hindurch sein Herz, sieht er sich selbst als den Großvater, der er jetzt wäre, wenn er eine Frau und Kinder gehabt hätte, wenn diese Kinder wiederum Familien gegründet hätten, wenn eine Enkelschar seinen Lebensabend vergolden würde, eine, die man mitnehmen könnte zum Angeln nach Montana …
»Steigen Sie ein«, ruft Toga ungeduldig. »Wir nehmen den Jungen mit. Er kriegt ein Eis. Du willst doch sicher ein Eis?«
»Ich will zu meinem Dad«, ruft das Kind herrisch von Boones Buckel herunter, während dieser ächzend TogasAufforderung nachkommt. Dann springt noch jemand in den Bus und der setzt sich ruckend in Bewegung. Alien sitzt hinterm Steuer, was das Rucken erklärt, aber nicht entschuldigt. Die junge Frau, die zum Schluss eingestiegen ist, wird gegen Boone geworfen, dieser wiederum landet auf dem Schoß des mampfenden indianischen Duschhaubenträgers. Das Kind lässt sich vom Buckel des Inspektors gleiten und sitzt nun neben dem Greis, den der Riese behutsam auf die Bank im Fahrzeuginneren gesetzt hat. Während das Kind das Deckenlicht im Bus angemacht hat und mit fast mütterlicher Sorgfalt und obendrein mit Erfolg den Greis mit einem Muffin füttert, rafft sich Boone von Maus Schoß, panisch, da er glaubt, unter sich Maus Geschlechtsteil sich rühren zu fühlen, und wendet sich hastig der jungen Frau zu, die sich bei ihm entschuldigt.
Er erstarrt. Diese Entfärbte, die Haare, die Haut, die Kleidung. Die dünnen weißen Arme. Die Anmut. Seine Verdutztheit macht uns große Freude. Er sieht sich Aug in Auge dem Steakmessermodel gegenüber, der Apfelblüte, daran gibt es keinen Zweifel. Aber das ist noch nicht alles. In diesem Moment niest der Indianer und die junge Frau sagt »God bless you«, womit sie sich Daniel H. Boone obendrein als küssender Engel aus dem Park offenbart. Die beiden Bilder, das der vermeintlichen Mörderin und das des segnenden Wesens schieben sich übereinander, werden Fleisch und Blut und machen Boone, der die Autorität des Inspektors verloren, aber noch nicht die Natur des Privatiers angenommen hat, hilflos wie ein Baby.
»Schmeckt der Muffin?«, fragt sie heiter, beißt in ihren und drängt sich neben ihn auf die Bank. »Ich habe ihn gebacken.«
Boone nickt. Die unter seinem Arm in Vergessenheit
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