Venusblut - Schreiner, J: Venusblut
verlangt, dass Zimmer zu verlassen, solange ich mich umziehe?«
»Ja, ist es«, meinte Joel, dem diese Idee auch schon gekommen war. Doch nach ihrem patzig vorgetragenen Satz würde er auf gar keinen Fall nachgeben. »Aber mach dir keine Gedanken, ich werde nicht ausgerechnet über eine halbvampirische Missgeburt herfallen.«
Judith lag eine scharfe Erwiderung auf der Zunge, doch sie schluckte sie unausgesprochen hinunter. Wenn seine Worte dazu gedacht gewesen waren, sie zu beruhigen, hatten sie ihre Wirkung verfehlt. Deutlich konnte sie spüren, wie ihre Angst vor dem Vampir einer Wut wich, die selbst ihren Vater beeindruckt hätte. Trotzdem versuchte sie, sich zu beherrschen. Ein Fakt, der ihren Vater noch mehr beeindruckt hätte. Aber schließlich hatte sie nichts gegen den Vampir in der Hand, kein Druckmittel und kein Wissen. Während sie noch darüber nachdachte, was die klügste Vorgehensweise in ihrer Situation wäre, strich sie sich die Träger des Nachthemdes von den Schultern und ließ das Kleidungsstück an ihrem Körper hinabgleiten, bevor sie nach einem schwarzen Overall griff.
Ein Klappern riss Joel aus seinen missmutigen Gedanken und er hatte sich umgedreht, bevor er den Ursprung des Geräusches zugeordnet hatte.
Sie stand nackt vor ihm. Splitterfasernackt! Und statt sich augenblicklich zu bedecken, sich hinter dem schwarzen Einteiler, den sie aus dem Schrank geholt hatte – das Klappern des Kleiderbügels hatte ihn aufgeschreckt – zu verstecken, schien sie vor Schreck erstarrt.
Judith war unglaublich wütend. Noch nie zuvor war sie dermaßen gedemütigt worden. Dieser verdammte Vampir hatte sie bedroht und verletzt und jetzt wagte er es auch noch sich umzudrehen. Und sein Gesichtsausdrücke wechselten in so schneller Folge, dass sie keine einzelnen Emotionen deuten konnte. Wahrscheinlich würde er sich von dem Schreck erholen und doch noch von Ekel getrieben das Zimmer verlassen.
Joel konnte spüren, wie ihm die Beherrschung entglitt und kämpfte dagegen an. Sein Innerstes schmerzte, als das Verlangen erneut erwachte. Dieses Mal mit unvermittelter Wucht. Er ballte zitternd die Fäuste und versuchte seinen abtrünnigen Körper dazu zu bringen, sich erneut umzudrehen, zu fliehen, bevor er einen Fehler machte. Doch als er die Wut in ihrem Blick sah, war es zu spät. Sie zusammen mit ihrer Nacktheit waren ein Aphrodisiakum, dem er einfach nicht widerstehen konnte.
»Das, Mädchen …« Er trat mit einer einzigen, fließenden Bewegung zu ihr und streckte die Hand nach ihr aus, »… war ein verdammter Fehler!«
Der Ausdruck in den Augen des Vampirs machte Judith Angst. Sie wollte zurückzuweichen, aber wie hypnotisiert blieb sie regungslos stehen und konnte nur hilflos mitansehen, wie seine Hand näher kam und sie am Hals berührte.
Seine andere Hand lag an seiner Halskette. Für einen Moment fühlte sie sich merkwürdig fern von ihrem Körper, schwebte zwischen den Möglichkeiten, dann traf sie die Magie.
Judith schrie auf, spürte, wie ihr Körper schrumpfte, sie immer kleiner wurde und kleiner, während er immer größer und gefährlicher wirkte. Sie wollte die Lähmung abzuschütteln, die sie ergriffen hatte, konnte nicht begreifen, was vor sich ging. Unsichtbare Fesseln lähmten ihren Körper und ihren Geist, hielten und banden sie. Der Vampir griff nach ihr, als ihre Verwandlung stoppte und sie die Größe einer Barbie hatte. Er fing sie mit Leichtigkeit und schloss sie in ein Gefängnis aus Fingern. Judith kämpfte gegen den Griff seiner rechten Hand an, biss und trat. Ein bereits als Mensch vergeblicher Versuch, als Mini-Mädchen erst recht ein unbedeutender Widerstand. Er hob sie auf Gesichtshöhe und alles, wassie noch empfinden konnte war Furcht. Eine Träne geboren aus hilfloser Wut rollte über ihre Wange, fiel und blieb mitten im Fall wie erstarrt in der Luft stehen.
Der Vampir biss sich in den Zeigefinger seiner linken Hand und ließ einen Tropfen seines Blutes in die Träne fallen. Schlierenartig verteilte sich das Rot in der klaren Flüssigkeit, verband sich mit ihr und begann zu glühen. Der Farbverbund zog Judiths Blick an, schimmerte faszinierend und schien vor ihren Augen immer größer zu werden, immer leuchtender, denn das Weiß ihrer Tränen schien die Oberhand über das Rot seines Blutes zu gewinnen.
Magie!
Der Gedanke war da – unwillkommen, störend, aber so übermächtig wie das plötzliche Erkennen, woher ihr eigenes Wissen kam.
Im letzten Moment wollte Judith
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