Venusblut - Schreiner, J: Venusblut
hinauslaufen würde. Nun sah sie Hasdrubal an und ihre Augen schwammen vor ungeweinten Tränen um ihr Schicksal – und um das ihrer Schwester.
»Du weißt, was du zu tun hast, Hasdrubal?« Ihre Worte waren leise, aber gefasst, ihr Blick fixierte ihn. »Du musst mich töten.«
33
Joel starrte wie gebannt auf die Menschen, die Koffer zogen, schoben oder trugen. Unmengen an Personen standen an Schaltern, suchten noch passenden Lesestoff für die Reise oder Last-Minute-Geschenke. Das unfreundliche Licht der hellen Neonröhren ließ alles irgendwie unwirklich wirken. Ein Filmausschnitt in 4D – mitmachen inklusive.
»Du warst noch nie auf einem Flughafen?!« Judith konnte sich ein ungläubiges Lachen nicht verkneifen, obwohl sie geglaubt hatte, längst über jeden Humor hinweg zu sein.
Immer noch auf einen Pilotensessel vor dem »Ausblickfenster« geschnallt, dem ihr kleines Traumparadies gewichen war, per Handy mit ihrem Vampir »sprachkontaktlich« verbunden, fühlte sie sich nun bereits seit Stunden wie James Bond auf LSD. Ein Hochgefühl zwischen Hysterie, Dauerlachen und Panik.
»Nein.« Joel drehte sich einmal auf der Stelle und versuchte zu ergründen, was nun zu tun war.
»Die Information«, schlug Judith vor und verfolgte angespannt Joels Annäherung an den Schalter. Erst als der Schmerz in ihrem Zeigefinger sie aufschreckte, konnte sie sich aus dem Bann lösen. Seit Jahren hatte sie nicht mehr an den Fingernägeln geknabbert!
»Wie kann ich Ihnen helfen?« Der junge Mann, der wegen der späten Uhrzeit allein hinter dem Schalter stand und sich bis vor wenigen Sekunden gelangweilt hatte, sah dienstbereit auf.
»Guten Abend. Ich suche eine junge Frau…«
»Ausrufen«, flüsterte Judith.
»… vielleicht können Sie sie ausrufen?«
Der Informations-Mann schien auf mehr Informationen zu warten, so dass Joel improvisierte: »Ich sollte sie vor einer halben Stunde hier abholen, aber sieist nicht gekommen und per Handy erreiche ich sie auch nicht.« Er schob dem Flughafenmitarbeiter das Foto von Joline zu und staunte über den kurzen Anflug von Verwirrung in dessen Gesicht. Doch als der Mann wieder aufsah, hatte er seine Gedanken wieder unter Kontrolle.
»Name?«, fragte er nur kurz angebunden.
»Joline…« Joel zögerte einen Augenblick, als ihm aufging, dass er den menschlichen Nachnamen von Magnus gar nicht kannte.
»Lilim«, half Judith aus.
»Joline Lilim«, ergänzte Joel und riet ins Blaue hinein, »Sie kennen sie?«
Der Mann hinter dem Tresen schüttelte den Kopf, aber seine roten Wangen verrieten ihn. »Nein, aber sie ist mir aufgefallen – allerdings nicht heute!«
Der Zusatz war in einem vorwurfsvollen Tonfall ausgesprochen worden.
»Sie ist eher gekommen?« Joel spielte den Unschuldigen sehr gut – fand er. Der Mann offenbar auch, denn sein anklagender Blick wurde freundlicher. »Vor zwei Tagen.« Er sah auf die Uhr. »Aber die Zeit stimmt.«
Nur mühsam unterdrückte Joel einen lauten Fluch. Hätte er sich nicht so sehr von Judith ablenken lassen, wäre er rechtzeitig gekommen, um Magnus Plan zu einem guten Abschluss zu bringen.
»Wissen Sie, wohin sie ist? Hat sie sich ein Taxi genommen oder so etwas?«
Als der Mann nicht sofort antwortete, fragte Judith: »Hast du keinen manipulierenden Vampirblick?« Joel war ihrem implizierten Vorschlag nachgekommen, bevor seine Moralvorstellungen dies verhindern konnten.
»Sie war mit einem älteren Mann hier. Ziemlich… verlumpt und irgendwie… staubig… Er hat sich nach Flügen erkundigt… Sie sind nach Italien geflogen und wollten dann weiter…«
»Bist du dir sicher?« Ihr war immer noch übel, weil Joel vergessen hatte, sie während des Vampirflugs unter die Jacke zu packen und allein der Pilotenstuhl hatte sie davor bewahrt sich wimmernd auf dem Boden zusammenzukauern.
»Ja, bin ich mir«, fauchte Joel. Doch inzwischen hatte er jeden Mitarbeiter befragt und sich sogar einige Überwachungsvideos angeschaut und hatte immer noch keine Ahnung, wo Joline abgeblieben war. Der unbekannte Vampir war unbekannt – und unerkannt – geblieben und die Spur der beiden Gesuchten verlor sich auf dem Langzeitparkplatz.
»Sieht aber nicht so aus!«
»Ich bin mir sicher, dass es hier eine Spur von den beiden gibt.« Joel prüfte die Stelle, an der die Videoaufzeichnung die beiden zum letzten Mal gezeigt hatte.
»Sieht aber nicht so aus!« Die männliche Stimme sandte tausend Emotionen – keine einzige davon gut – durch Joels Körper und
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