Venusblut - Schreiner, J: Venusblut
Judiths Stimme in seinem Ohr wie ein leises Blätterrauschen in der Nacht. Sie redete auf ihn ein, hatte wohl schon eine Weile gesprochen, aber obwohl er sie jetzt hörte, verstand er kein Wort. Sprach sie überhaupt eine Sprache, die er kannte?
Sekunden später war der gesamte Druck verschwunden, die Hitze fort. Joel fiel kraftlos nach vorne und blieb bäuchlings liegen. Selbst als ein Fuß nach seinen Rippen trat, fand er nicht die Kraft, sich zu schützen, konnte sich nur zur Seite drehen, so dass er den Vampir sehen konnte, der zu dem Fuß gehörte. Fetzen, die man nur mit viel gutem Willen als Kleidung identifizieren konnte, bedeckten seinen alabasterfarbenen Körper. Seine Haare wirkten ebenso unwirklich wie sein Gesicht. Statuenhaft, bar jeder Regung. Nur seine Augen zeugten von altem Glanz und gehobenem Status – und machten sein Alter noch deutlicher. Ebenso seine königliche Haltung und seine aristokratischen Züge, auf denen sicheine uralte Wut widerspiegelte, der sich Joel nicht entziehen konnte. Sie glich seiner, ging aber viel tiefer und schien der einzige Grund für das Fortbestehen dieses Wesens zu sein.
Die Angst, die Joel durchflutete, war existentialistisch. »Großer Gott!«
»Artabanos genügt völlig!« Die Stimme war angenehm, das unterschwellige Lachen darin beinahe freundlich. In einem anderen Leben, zu einer anderen Zeit mochte der einstige Berater des Perserkönigs ein humorvoller und vielleicht sogar ein netter Mensch gewesen sein. Doch nichts von alledem spielte jetzt noch eine Rolle. »Töte ihn!«
Logan rappelte sich auf und die Angst in seinem Blick sprach Bände. Trotzdem gelang es dem Vampir, ein »Aber« zu formulieren. Weiter kam er nicht. Der löwenartige Vampir zuckte zusammen, als habe Artabanos ihn geschlagen und für Sekunden konnte Joel die hell gleißenden, mentalen Kräfte sehen, die von dem alten Vampir ausgingen und Logan trafen, bis dieser in die Knie ging. Aber auch in Artabanos Aura zeigten sich die ersten Veränderungen.
»Du wirkst geschwächt…« Joel hatte seinen Gedanken ausgesprochen, bevor sein Gehirn eingreifen konnte. Doch der Alte bedachte ihn nur mit einem Blick, den er sonst für lästige Insekten übrigen haben mochte.
»Das ist nur das Alter – aber das wird sich ändern, sobald ich alle Vampirzwillinge getötet habe und die Unsterblichkeit wiederhergestellt ist.«
Artabanos drehte sich zu Xylos um, meinte jedoch die Vampirin, als er angriff. »Tut mir Leid, um Sofia – und für Sofia!«
Der weiße Blitz war so hell, dass Joel ihn trotz geschlossener Augen wahrnehmen konnte; er überraschte ihn, nicht jedoch die blonde Vampirin. Ihr gelang ein ungelenker Sprung und mit einem leicht violetten Schimmer konnte Joel auch die elementare Magie der Liebe wahrnehmen, die von ihr zu Artabanos reichte, den vampirirschen Bund, der es ihr trotz ihres jungen Alters erlaubte, sich mit einem unberechenbaren Flug in Sicherheit zu katapultieren. Wohin auch immer. Nicht Sofia! Artabanos grollte leise, folgte ihr aber nicht, sondern besann sich auf die beiden wichtigen Feinde in seinem Rücken. Er drehte sich zu Logan und verpasste Joel einen weiteren mentalen Schlag, der ihn beinahe ohnmächtig werden ließ. »Töte sie schnell!«
Dann war er fort – verschwunden in einer Staubwolke.
Joel lachte bitter, ein erstickter Laut, der seine Seele entzweiriss. Vielleicht hatte der alte Vampir Recht, und alle Anstrengung war umsonst gewesen, jeder Plan des Magnus, die gesamte Suche. Vielleicht war die Lösung der Prophezeiung aus der Vampirbibel tatsächlich so einfach und es ging nicht um spezielle Zwillinge, sondern um alle. Er und Xylos würden es nie erfahren. Vielleicht nicht einmal Sofia und ihre … Joel unterdrückte ein Husten … Zwillingsschwester. Blieb nurzu hoffen, dass Judith und Joline seinen Tod überlebten und nicht in Logans Hände gerieten. Mit letzter Kraft gelang es ihm, die magische Kette unter den Kragen seiner Jacke zu schieben und ein kleines Stoßgebet für Judiths Rettung gen Himmel zu schicken. Genau in diesem Moment verklang das Rauschen der unterbrochenen Leitung und Judiths Stimme hallte in seinem Ohr. Sie war laut genug, um auch den dümmsten Vampir aller Zeiten von ihrer Existenz und ihrem Aufenthaltsort in Kenntnis zu setzen.
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Hasdrubal schüttelte den Kopf, während er einen Schritt zurücktrat. Das konnte sie unmöglich von ihm verlangen. Nicht, nachdem er die Wahrheit kannte und seine Gefühle für sie endlich zulassen
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