Für unser Wohnzimmer bringt jede von uns zwei bis drei Lieblingsmöbel mit. Ähm. Meine stehen schon hier. Also, meine wunderbare Chaiselongue … Kannste Dich elegant drauf drapieren. Ja, und einige Bilder (die hier hängen, sind so gar nicht mein Geschmack) und noch so ein bisschen anderes. Siehst Du dann. Regale für Bücher und Kram stehen ja hier, da brauchen wir nix anderes dazuzustellen. Sue, ich schlage Dir vor, Du kommst Weihnachten. Und bleibst bis nach Neujahr. Wir gehen auch in die Kirche, damit uns alle sehen. Das ist wichtig. Immer schön grüßen, egal, wen. Außerdem habe ich den ersten Schwung unserer Werbebriefe (Inhalt hast Du ja mitabgesegnet) in Aurich kopieren lassen, samt unserer handgeschriebenen Unterschriften. Die sehen richtig gut aus. Wir hatten zwar ausgemacht, dass die erst zum Jahresende rausgehen, aber zu Weihnachten ist das auch nett. Die Briefe für die Männer sind auf hellblauem und für die Mädels auf blassrosa Papier. Drauf prangt auch unser Gemeinschaftsfoto. Hach – also, können wir dabei bleiben – wir eröffnen am 1. März!
Es sei denn, Du hast Josefa derartig vergrätzt, dass sie Dich nicht mehr dabeihaben will. Aber – so schlimm war es doch wohl nicht?
Sue?
Sue!
Den Vertrag hast Du auch wirklich an Dr. Magerkorn geschickt? Trink nicht so viel. Das macht dumm und gibt nur fiese Falten. Ich bin ja so gespannt, wie Josefa auf Deine Heulmail reagiert.
So long, ich winke mal eben aus dem Fenster, ist das ein gemütlicher Ausblick!,
sagt Gerda.
Von:
[email protected] An:
[email protected] ,
[email protected] Gesendet: Mittwoch, 12. Dezember, 12:00 Uhr
Betreff: …
Liebe Sue, liebe Gerda,
fange ich mit Sue an.
Denn ich habe von meinem Anwalt schon gehört, dass Du, Gerda, schon in meiner alten Wohnung bist und es Dir darin gut geht.
Ich muss sagen – ich bin immer noch gekränkt. Bin ja ein langmütiges, dämliches Schaf, aber mir all diese Dinge zu unterstellen … Da muss ich an die Worte meines Vaters denken, der so manches Mal sagte, Kinder und Betrunkene sprechen die Wahrheit. Jetzt frage ich mich, habe ich eigennützig gehandelt? Kinners, das macht mir solche Bauchschmerzen.
Ich glaube, Ihr könnt von mir nicht mehr so prompte Antworten wie augenblicklich erwarten. Leider bin ich wahnsinnig schwach und schlafe, schlafe, schlafe. Fühle mich krank und drömmelig. Und hier regnet es Bindfäden, der Himmel ist dunkelgrau.
Wenn es noch vertragliche Fragen gibt, wendet Euch bitte an Dr. Magerkorn oder an meine liebe Frau Wansleben. Ja – Sue, ich habe noch mal überlegt – Du hast also alle wichtigen Dinge gekündigt. Gut. Handeln ist besser als Worte auszuspucken. Worte kann man hin- und herwenden, und nachher weiß keine mehr, was eigentlich los war.
Ich bin auch zu müde, um mich noch länger zu ärgern. Frau Wansleben sagte mir – ja, wir telefonieren – dass Du, Gerda, Dich richtig wohlfühlst. Jetzt zum Jahresende macht Ihr bitte die Inventur und ja, Sue, schön, wenn Du dabei wärst und mithelfen würdest.
Ich leg mich wieder hin. Ich möchte mit dem Gedanken einschlafen, dass Ihr zwei das Beste und Schönste aus ›Buch-Hansen‹ macht.
Josefa
P.S.: Keine Mutmaßungen von Euch. Keine Fragen! Mir geht’s momentan nicht so dolle und damit basta.
16.
Von:
[email protected] An:
[email protected] ,
[email protected] Gesendet: Sonntag, 24. Dezember, 15:30 Uhr
Betreff: …
Sehr geehrte Frau Beinlich und Frau Mayer,
leider kann ich Ihnen beiden nicht meine persönliche Aufwartung machen, da ich, wie in jedem Jahr, über Weihnachten verreist bin. Deshalb auf diesem Wege eine Nachricht, die mich auch sehr traurig macht.
Aber vorab:
Dass Sie beide nun in der alten Wohnung Weihnachten feiern wollen, hat Frau Hansen sehr gefreut. Auch von den Werbebriefen bekam sie Wind – und fand sie köstlich, als ich ihr einen davon zukommen ließ. »Hoffentlich ziehen Sue und Gerda das alles auch durch«, ja das waren ihre letzten Worte an Sie beide. Und auch: »Umarmen Sie die zwei für mich.« Was ich nach meiner Rückkehr tun werde – wenn ich darf, wenn Sie einen so staubig-trockenen Anwalt im Arm halten möchten.
Ja, ich zögere es hinaus – aber ich muss es Ihnen mitteilen:
Josefa Hansen verstarb in der Nacht vom 20. auf den 21. Dezember in der schönen niederländischen Stadt Leiden. Da ich Frau Hansen versprechen musste, auch nach ihrem Tod Ihnen nichts über ihre Krankheit mitzuteilen, müssen Sie das jetzt