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Vera Lichte 01 - Tod eines Klavierspielers

Vera Lichte 01 - Tod eines Klavierspielers

Titel: Vera Lichte 01 - Tod eines Klavierspielers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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die Sirene, die sie gewesen war. Wie gerne wäre Anni einmal so lasziv gewesen wie sie. Vielleicht trug sie darum noch immer den von Nelly abgelegten Regenmantel.
    Leopardenmuster. Gechinzt. Er passte nach wie vor.
    »Ich habe kein Gramm zugenommen in den letzten zwanzig Jahren«, sagte Anni. Vera sah sie überrascht an.
    »Vielleicht liegt das daran, dass ich immer die größeren Portionen essen soll«, sagte sie.
    »Könnte mir vorstellen, dass Nelly dick geworden ist.«
    »Als ich sie das letzte Mal sah, war sie gertenschlank.«
    »Ist ja schon lange her«, sagte Anni.
    »Im Sommer vor einem Jahr. Noch nicht so lange.«
    Die alte Eifersucht auf Nelly glühte in Anni. Früher hatte Vera geglaubt, dass es der Besitzanspruch auf Verakind sei, der Anni bissig werden ließ, sobald Nelly ins Spiel kam. Doch seit einer Weile war ihr klar, dass es auch um Gustav gegangen war, und nun ging es um Taillenweite.
    »Nimm doch den Karton da unten«, sagte Anni und guckte kurz von ihrem Bügelbrett auf.
    Vera bückte sich. Der Karton stand in einem offenen Schrank, in dem allerlei Hilfsmittel aufbewahrt wurden, um die Wäsche so blütenrein zu bekommen, wie Anni es von ihr erwartete. Der Karton war erstaunlich schwer, als Vera ihn nahm und auf die Anrichte stellte. Sie hob den Deckel.
    »Annilein«, sagte sie, »was ist denn das?«
    »Pfennige. Für deine Brautschuhe.«
    »Die hast du gesammelt?«
    »Seit du zehn warst.«
    »Du weisst, dass sie nicht mehr gültig sind«, sagte Vera vorsichtig. Als ob sie es für möglich hielte, dass dies an Anni vorbeigegangen sein könnte.
    »Du bist ja nicht zu Potte gekommen«, sagte Anni.
    Vera stand auf und verließ das Bügelzimmer, um kurz darauf mit einem großen gläsernen Kelch zurückzukehren und die Pfennige umzufüllen.
    »Der gute Kelch. Da kommen doch sonst Rosen rein.«
    »Jetzt sind Pfennige drin und die stelle ich auf Gustavs Schreibtisch.«
    »Nun hast du wenigstens einen Karton«, sagte Anni.
    Vera stellte die elegante, versandunfähige Schachtel des Negligés hinein und stopfte ihn mit Seidenpapier aus.
    »Schreibst du nichts?«
    »Hab ich schon«, sagte Vera.
    Der Brief lag auf dem Schreibtisch und war länger geworden, als sie vorgehabt hatte. Nelly von Jef zu berichten hatte eine Nähe gebracht, die ihre Korrespondenz sonst nicht kannte.
    »Dann ab nach Nizza«, sagte Anni. »Vielleicht fällt Nellys Gatte tot um, wenn er das Getüll sieht.«
    Vera grinste. »Ich schenke dir auch so eines«, sagte sie.
    »Und wer soll da tot umfallen?«
    »Du kannst ja mal zu unserem Nachbarn rüber gehen.«
    Anni stellte das Bügeleisen ab.
    »Ich hab da ein komisches Gefühl«, sagte sie und legte gleich die Hand auf den Mund. Das war ihr herausgerutscht.
    »Was Perak angeht?«
    Anni nickte. »Der wird immer wahnsinniger. Gestern Vormittag kam er aus seiner Wohnung gestürzt und hielt einen großen Schraubenzieher in der Hand und guckte mich an, als ob er mir den sonst wohin rammen wollte.«
    Vera dachte an die toten Frauen. Was hatte sie mal zu Nick gesagt, dass Perak einen prachtvollen Ritualmörder abgäbe? Oder war er schon zu offensichtlich durchgedreht?
    Ritualmörder lebten vermutlich ein leiseres Leben.
    »Nu mach mal eine ordentliche Schnur drum«, sagte Anni, »dass mir das Ding endlich aus dem Haus kommt.«
    »Denkst du, dass er hier eindringen will?«
    Die schrecklichen Klagelaute, die ihr Nachbar neulich nachts ausgestoßen hatte. Vielleicht war er doch eine ernste Gefahr und nicht nur eine lächerliche Figur.
    »Da sind Gott und ich vor«, sagte Anni.
    »Gut«, sagte Vera, »ich hoffe, ihr beide seid auf Posten.«
    Die Haut des Körpers hatte schon begonnen, sich abzulösen, als die Leiche entdeckt worden war. In einem Ast hatte sie sich verfangen, der in die Südereibe hinausragte. Vielleicht war sie auch schon von Anfang an dort gelagert worden, Kopf und Hals schienen vom Wasser unberührt, als seien sie zwischen die Grasbuckel des Ufers gebettet gewesen.
    Die junge Frau wurde geborgen und eilig in die Kühlung der Pathologie gebracht. Erst dort hatte Pit Gelegenheit gehabt, ihren Hals ausführlich zu betrachten.
    »Sechs bis acht Tage«, sagte der Pathologe, »sechs bis acht Tage hat sie im Wasser gelegen.«
    Pit stand vor der siebten Toten, deren blondes Haar noch weich hinabfiel. Sie sah aus, wie Ophelia ausgesehen hatte.
    Er ahnte nicht, dass sie Undine war.
    Seinen alten Kumpel Nick erreichte er erst nach dem zweiten Anlauf. Nick war dabei, Leos Haus zu

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