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Vera Lichte 01 - Tod eines Klavierspielers

Vera Lichte 01 - Tod eines Klavierspielers

Titel: Vera Lichte 01 - Tod eines Klavierspielers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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nahm Jef die Noten aus der Hand. »Sie entschuldigen uns«, sagte sie, »wir haben einen Abend in der Bongo-Bar vorzubereiten. Das ist sicher im Sinne Ihres Chefs.«
    Konnte es sein, dass ein Mann, in dessen Laden sie sang, einen Typen wie Jorge auf sie hetzte?
    Vera hakte Jef unter und zog ihn davon.
    Sie war sich darüber im Klaren, dass es sich nicht immer so leicht lösen ließ.
    »Sometimes I wonder why«, sang Vera, »I spend the lonely night dreaming of a song.« Sie blickte zu Nick, der an dem nahen Tisch saß, an dem auch Leo und Harlan gesessen hatten. Nick träumte sicher von keinem Lied in seinen einsamen Nächten. Vielleicht hätte sie nicht Stardust als ersten Song für ihn aussuchen sollen. Doch erzählten nicht alle diese Lieder eher vom Ende einer Liebe?
    »... and each kiss an inspiration. But that is long ago. Now my consolation is in a stardust of a song.«
    Dass sie diesen Klassiker von Hoagy Carmichael nie vorher gesungen hatte. Gustav hatte ihn oft auf dem Klavier gespielt. Sie erinnerte sich. War 1930 eine echte Erleuchtung für mich, dieses Lied, hatte er jedes Mal gesagt. Gustav.
    Wenn Vera die letzten Zeilen des Liedes besonders weich und zärtlich sang, dann wegen Gustav. Vater der Braut.
    Wie gerne hätte sie gehabt, dass er von Jef wüsste.
    Nick lächelte ihr zu, als ahne er ihre Gedanken. Er griff nach seinem Glas Bier und hob es in ihre Richtung. Das sah ihm ähnlich, in der Bongo-Bar ein Bier zu trinken.
    Der gute alte Nick. Kumpel, hatte Leo gesagt.
    Vielleicht war er wirklich zu bodennah für eine Frau, die den Glanz suchte, das Besondere. Vera neigte allmählich dazu, Jefs Meinung anzunehmen, dass Leo und Nick keine glückliche Konstellation waren.
    Jef spielte die ersten Takte von Here's To Life. Eines der ersten Lieder, die sie hier gesungen hatte. Auf dem Flügel liegend. Sie musste verrückt gewesen sein.
    »No complaints and no regrets. I still believe in chasing dreams and placing bets«, sang Vera. Wer hätte gedacht, dass sie an jenem Abend, an dem sie auf dem Steinway lag und an ihrem Kleid zupfte, ihre Liebe finden würde.
    In der nächsten Pause würde sie eine Flasche Champagner ausgeben. Sie konnte Nick nicht länger hinter dem Bierglas sitzen sehen. War er wieder blank?
    Sie blinzelte Jef zu. Es war eines seiner Lieblingslieder. Sie wusste es. Er wirkte wieder entspannt. Doch Vera war überrascht gewesen, wie sehr ihn dieses Gangsterchen geängstigt hatte. Verniedlichte sie die Gefahr? War das ihre neue Art, damit umzugehen? Vermutlich fiel es ihr einfach nur schwer, Jorge ernst zu nehmen in seinen Posen.
    Die vier Herren, die eines Abends hier aufgetaucht waren, hatten da leider ein anderes Kaliber gehabt.
    Vera dachte kurz an den Holländer Michel, als sie Que Sera ansang. Ein Lied, das sie immer als kindlich und beinah naiv empfunden hatte. War es nicht ein Gute-Nacht-Lied für ein Kind gewesen in »Der Mann, der zu viel wusste«?
    Vera sah Cary Grant vor sich, als sie Jef ansah.
    Sie bestellte Veuve Cliquot, wie Harlan es getan hatte.
    Ihr waren die weinigen Champagner am liebsten.
    An Harlan verschwendete sie keinen Gedanken dabei.
    Jef und Nick verstanden sich. Sie hatte es nicht anders erwartet, doch es war gut, das bestätigt zu sehen.
    Sie wollte von Glück und Harmonie umgeben sein.
    Vera hob ihr Glas und lächelte Jef und Nick zu, die ihre Gläser hoben. Einer der glücklichen Abende.
    »Here's to life and all the joy it brings«, sagte Vera.
    Sie sah nicht, dass Jorge hereinkam und gleich ins Büro hinter der Bar verschwand. Es hätte ihre Stimmung auch nur sehr vorübergehend getrübt.
    Die junge Frau betrat das spartanische Treppenhaus eines Speichers in der Hamburger Speicherstadt zum zweiten Mal. Ihr erster Besuch hatte an einem hellen Nachmittag stattgefunden. Jetzt am Abend, bei beginnender Dunkelheit, fand sie die Umgebung befremdlich.
    Sie stieg die hohen Stockwerke hinauf und war ein wenig außer Atem, als sie im vierten vor einer Eisentür ankam.
    Ein kleines Schild, das auf eine Künstleragentur hinwies.
    Die Tür wurde ihr aufgetan, kaum, dass sie auf die Klingel gedrückt hatte. Fast war sie ihr schon vertraut, diese Frau, Künstlerin, Kennerin, Inhaberin der Agentur, die Hoffnung auf eine Karriere in ihr keimen ließ.
    Die junge Frau hatte Giraudoux' Undine vorgetragen, als sie das erste Mal vorsprach. Mängel waren in ihrer Interpretation entdeckt worden, die es zu glätten galt, ehe an einen Termin zum Vorsprechen am Theater gedacht werden

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