Verarschung
Seit Lizzy begonnen hatte, sich in sein Hirn zu hacken, dachte er oft in der ersten Person Plural.
Die Praxis von Dr. Madder Telepathian lag in Sluttersholm, einem Stockholmer Stadtviertel, in dem viele Dotcom-Unternehmer, Auswanderer aus Helsinki und Mitglieder der litauischen Unterwelt wohnten.
«Kommen Sie doch bitte herein.» Der Doktor führte Blomberg in sein Büro mit den drei Meter hohen Decken. Telepathian wies auf die UKEA-Psychoanalyse-Couch «Jung» zum Selbstzusammenbauen, deren Polster mit merkwürdigen Zeichen aus dem kollektiven Unbewussten gemustert waren.
«Ich bin nicht als Patient hier», sagte Blomberg.
«Sie sind nicht der Erste, der das behauptet», entgegnete Dr. Telepathian. Der Psychiater war 1 Meter 93 groß, wog aber nur gertenschlanke 80 Kilo. Blomberg schätzte ihn auf 63 Jahre. Er war blass, hatte einen dünnen, spitz zulaufenden Bart und rote Pupillen, die in Blomberg ein gewisses Unbehagen auslösten.
«Wir haben uns schon einmal getroffen», begann Blomberg.
«Ja, ich erinnere mich. Sie haben im Lizzy-Salamander-Prozess gegen mich ausgesagt. Sie haben behauptet, dass ich das Gutachten gefälscht hätte, in dem ich den Aufenthalt in einer geschlossenen Anstalt für den Rest ihres Lebens empfohlen hatte.»
«Ihr Gutachten war gefälscht.»
«Eine Interpretation. Aber seien Sie versichert, Herr Blomberg: Ich hege keinen Groll. Zugegeben, ich habe nach dem Prozess ein paar persönliche und berufliche Schwierigkeiten gehabt. Ich wurde entlarvt als Betrüger, Extremist und Besitzer der größten Kinderporno-Sammlung in Westeuropa. Ich musste meine Praxis schließen, und meine Talkshow auf Radio3, Fragen Sie Doktor Telepathian , wurde abrupt abgesetzt. Aber ich habe eine Menge an Lebenserfahrung gewonnen und meine Memoiren geschrieben. Vielleicht hätten Sie ja mal Lust, in Ihrem Blog darüber zu berichten.»
Er übergab Blomberg eine Ausgabe von Ein verwundeter Heiler: Wie ein führender Psychiater sich seinem Sadismus, seinen pädophilen Neigungen und seinem Neonazismus stellte. Blomberg blätterte in dem Buch. Es waren einige Fotos vom jungen, gutaussehenden Telepathian darin, der neben mit Riemen fixierten Patienten posierte.
«Bitte, Sie können es behalten. Es interessiert Ihre Leser vielleicht, dass ich große Kraft aus der altnordischen Mythologie ziehe.»
Blomberg sah, dass der Doktor eine kleine Rune um den Hals trug.
«Ich nehme jedoch an, dass Sie nicht hergekommen sind, um über mein bemerkenswertes Comeback zu reden. Und Ihrer Nachricht habe ich entnommen, dass Sie auch nicht über Lizzy Salamander sprechen wollen.»
«Nein, mich interessiert ihre Zwillingsschwester Chamelea.»
«Zweieiige Zwillingsschwester, wenn ich mich nicht irre.»
«Stimmt.»
Ein Lächeln huschte über Telepathians Gesicht, während er laut nachdachte. «Seltsam, dass ich für die Einweisung zweier so unterschiedlicher Zwillinge verantwortlich sein soll. Dennoch war ich es, der so viele unserer schwedischen Mitbürger in den letzten dreißig Jahren zwangseingewiesen hat. Und auch eine große Zahl unserer estnischen Nachbarn.»
«In welcher Hinsicht unterschieden sich Lizzy und Chamelea?»
«Ich habe Lizzy viel früher getroffen. Als zwölfjähriges Mädchen zeigte sie die klassischen Symptome eines periodisch auftretenden Wutsyndroms, von Pyromanie zusammen mit einer antisozialen Persönlichkeitsstörung, einer sexuellen Aversionsstörung und einer schizoaffektiven Störung, gepaart mit transvestitischem Fetischismus und Vaginismus. Aber im Schach war sie ziemlich gut.»
«Und Chamelea?»
«Sie litt unter einer Störung, die wir Größenwahn nennen.»
«Aus ihrer Akte geht hervor, dass Sie verschiedene Therapien ausprobiert haben.»
«Richtig. Zuerst habe ich gehofft, dass die Patientin auf eine Kombination aus Tabletten und Verhaltenstherapie ansprechen würde.»
«Hier gibt es Hinweise, dass Sie Risperdal, Seroquel, Zyprexa, Fluphenazin und Pimozid verabreicht haben, erst einzeln und dann zusammen in täglichen Psychopharmaka-Cocktails.»
«Leider ist sie dadurch nur noch wacher geworden.»
«Dann haben Sie Elektroschocks, eine Lobotomie und Zwangssterilisation durchgeführt.»
«Auch hier hat die Patientin nicht mit der gewünschten Besserung reagiert.»
«Sie gingen schließlich dazu über, sie in verschiedenen Zwangshaltungen verharren zu lassen, und wandten Schlafentzug und Waterboarding an.»
«Es hat nicht so gewirkt, wie wir gehofft hatten.»
«Welche Symptome
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