Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)
um dann den Helden spielen zu können.
Ich hatte schon befürchtet, er sei mir entwischt, als er sich nach eurem Date
tagelang nicht blicken ließ. Aber dann ist er ja wieder aufgetaucht, und ihr
habt angefangen, euer lächerliches Nur-Freundschaft-Spiel zu spielen. Er
wollte sich ganz offensichtlich bei dir einschmeicheln, um möglichst viel in
deiner Nähe sein zu können – Nachhilfe in Englisch? Ich bitte dich.“
„Ich
habe ihn selbst um Nachhilfe gebeten!“
„Ja“,
sagte Sam nachsichtig, „weil du seinem schläfrigen Killerblick erlegen bist,
nicht wahr? Nicht einmal, dass Rasmus‘ Armband nachts auf deinem Küchenboden
gelandet ist, konnte dich umstimmen.“
„Das
warst du?!“
„Ist
das nach meinen bisherigen Geständnissen immer noch eine Überraschung? Ich habe
es während meiner Freistunde aus der Umkleide geklaut. Zuerst hat es ja so
ausgesehen, als hätte ich damit Erfolg gehabt; aber als du am Tag des
Autounfalls sofort zu deinem Liebsten geeilt bist, musste ich mir was Neues
einfallen lassen. Also habe ich Eric im Netherwold ein bisschen gegen
seinen Teamkameraden aufgehetzt, um dir Rasmus‘ wahres Gesicht als Losschläger
zu präsentieren.“ Sam lehnte sich zufrieden zurück. „Hier bitte schurkisches
Gelächter einfügen.“
„Das
war nicht halb so gerissen, wie du glaubst“, antwortete ich trotzig.
Er
zuckte gleichmütig die Achseln. „Wahrscheinlich hast du Recht. Schon kurze Zeit
später stand Prince Charming wieder ganz hoch in deiner Gunst, und du hast mich
auf dem Ball sitzen gelassen – sehr unhöflich, übrigens – um mit ihm die Nacht
zu verbringen. Da habe ich geahnt, dass seine Gefühle für dich womöglich nicht
nur vorgespielt sein könnten; Rasmus springt nämlich nicht mit jeder x-Beliebigen
in … die Rumpelkammer.“
„Wir
waren überhaupt nicht“, platzte es aus mir heraus, und ich spürte, wie sich
mein Gesicht trotz des eisigen Regens erhitzte, „ich meine, wir waren schon in
einer Kammer, aber …“
„Schh“,
machte Sam begütigend. „Niemand hat nach Details gefragt. Jedenfalls ist es mir
von da an möglich erschienen, dass Rasmus gar nicht mehr ins Licht zurückkehren
will, sondern dass er sein Glück bereits hier gefunden hat.“ Er sprach
das Wort ungefähr wie Schleim aus. „Um ganz sicher zu gehen, habe ich
ihn auf die Probe gestellt: Ich habe den Willen von zwei Junkies beeinflusst,
deren Geist schon viel zu verhangen ist, um großartig Schaden zu nehmen. Diesen
beiden habe ich befohlen, dir in der Allee aufzulauern. Dann habe ich Rasmus
von Jinxys Handy eine SMS geschickt und ihn gebeten, uns vom Palais abzuholen.
Auf dem Weg dorthin musste er dich sehen – und er hat gezögert einzugreifen,
obwohl es für ihn so ausgesehen hat, als wärst du ernstlich in Gefahr. Da
wusste ich dann Bescheid.“
„Sehr
schlau. Und was hat dir das gebracht?“ Ich hörte mich nicht halb so ungerührt
an wie erhofft, und der herablassende Ausdruck in Sams blauen Augen verriet
mir, dass ihm das nicht entgangen war.
„Sei
nicht so zynisch“, rügte er mit gespielter Missbilligung. „Es stimmt schon, ich
war mir zunächst selbst nicht darüber im Klaren, was ich mit dem Wissen um
Rasmus‘ Gefühle anfangen sollte. Fürs Erste hat es mir schon genügt, eure
lächerliche Liaison zerstört zu haben. Aber als du heute durchblicken hast
lassen, dass Rasmus dir sogar die ganze Wahrheit über sich anvertraut hat, habe
ich erkannt, dass er absolut alles für dich tun würde. Und hier sind wir
nun also.“
Er
schenkte mir ein träges Lächeln, das sich langsam über sein Gesicht ausbreitete
und seine Augen zu schmalen Halbmonden zusammenzog. Für den Bruchteil einer
Sekunde sah er Rasmus so ähnlich, dass es mich kalt überlief. Gemächlich stand
er auf und schlenderte auf den Baum zu, an dessen Stamm ich immer noch meinen
Rücken presste. Ich spürte ein panisches Flattern in meiner Brust, als mir klar
wurde, dass ich Sam nun nicht mehr lange würde hinhalten können – noch hatte
ich seine Absicht nicht ganz durchschaut, zu schnell waren die Informationen
auf mich eingeprasselt, aber meine Gnadenfrist war offensichtlich fast vorüber.
Verzweifelt suchte ich nach irgendetwas, das ich noch fragen oder tun konnte,
um Rasmus mehr Zeit zu verschaffen. Seit er mich alleingelassen hatte, waren
bestimmt schon fünfzehn Minuten vergangen, und um bei Finsternis und Regen den
Weg hinunter- und wieder hochzuklettern, brauchte man wahrscheinlich eine halbe
Stunde. Als
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