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Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)

Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)

Titel: Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kira Gembri
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nächste Mal Ihrer Interpretation
nicht allzu sicher, sondern bleiben Sie offen für weitere Möglichkeiten. Der
Geist des Vaters etwa muss nicht zwingend als Metapher betrachtet werden – wenn
Sie Shakespeare lesen, behalten Sie bitte im Hinterkopf: ‚ Es gibt mehr Ding‘
im Himmel und auf Erden, als deine Schulweisheit sich träumt.‘ “
    Beunruhigt
schlug ich mein Heft auf und blätterte hastig bis zum Ende des Essays, wo
Professor Scott die Note eingetragen hatte.
    Ich
hatte eine Zwei.
    Nur
verschwommen nahm ich wahr, wie der Lehrer die restlichen Hefte zurückgab. Ich
hatte noch nie etwas Schlechteres als eine Eins minus auf einen Aufsatz
bekommen, bei dem es um Literatur ging: Das war meine große Stärke, mein
Trumpf. Es war das einzige Fachgebiet, bei dem ich mir meine Noten nicht durch
übermäßigen Fleiß erarbeiten musste, sondern für das ich so etwas wie Talent
besaß – ein Talent, dem ich in erster Linie die Aufnahme an die Galilei High
School verdankte, und das mir den Weg zu einer guten Uni ebnen sollte. Und wenn
nun diese Zwei den Anfang einer Serie von immer schlechter werdenden Noten
darstellte? Dass ich eine Eliteschule besucht hatte, würde mir bei dem späteren
Kampf um Ausbildungs- und Arbeitsplätze nichts nutzen, wenn ich nur lausige
Zeugnisse von dort mitbrachte.
    Ich
war schon dabei, mich in eine mittelschwere Panik hineinzusteigern, als
plötzlich Professor Scotts Stimme zu mir hindurchdrang: „Wie Sie wissen, wird
das Ergebnis dieser Klausur die Endnote entscheidend beeinflussen. Weil ich Sie
mit dieser Arbeit jedoch gleich am Schulanfang mehr oder weniger überrumpelt
habe, gebe ich Ihnen die Möglichkeit, Ihre Leistung im Nachhinein ein klein
wenig auszubessern: Wenn Sie mir bis Ende der Woche Ihren Essay sorgfältig
korrigiert und gegebenenfalls auch völlig umgeschrieben zurückgeben, erhalten
Sie dafür einige Pluspunkte.“
    Wie
um seine Worte zu unterstreichen, schrillte gleich darauf die Pausenglocke. In
einer Art Trancezustand blieb ich auf meinem Platz sitzen, unempfänglich für
Jinxys wortreiche Beschwerden über „Emo-Prinzen und Gespenster“. Aus dem
Augenwinkel nahm ich wahr, wie Rasmus seinen Rucksack über die rechte Schulter
schwang, um dann auf die Tür zuzustreben. In diesem Moment hatte sich in mir
bereits ein Entschluss gebildet: Ihn in die Tat umzusetzen würde peinlich und
entwürdigend werden – und es war absolut notwendig. Nachdem ich Jinxy schnell
irgendeine Ausrede zugemurmelt hatte, stürzte ich hinter Rasmus her.
    Erstaunlich
schnell bewegte er sich an den Schülern vorbei, die nun alle aus den
Klassenzimmern strömten, und ich hatte große Mühe, ihm auf den Fersen zu
bleiben. Um ihn in dem Gedränge nicht aus den Augen zu verlieren, legte ich
noch einen Zahn zu; deshalb schaffte ich es nicht rechtzeitig abzubremsen, als
Rasmus in der Aula stehen blieb, um einen Aushang am Schwarzen Brett zu lesen.
    „Hoppla“,
rutschte es mir heraus, nachdem ich gegen seinen Rücken geprallt war,
„entschuldige.“
    „Kein
Problem“, murmelte er, warf mir einen flüchtigen Blick zu und wollte auch schon
seinen Weg fortsetzen. Ich gab mir einen Ruck.
    „Ähm,
Rasmus?“, fragte ich zaghaft. Mit nachsichtiger Miene drehte er sich erneut zu
mir um, offenbar in der Erwartung, dass sich dieses Missverständnis gleich
wieder aufklären würde.
    „Was
gibt’s?“
    Ich
räusperte mich und hoffte, dass sich dadurch das nervöse Zittern in meiner
Stimme vertreiben ließ. Dann erklärte ich hastig: „Es geht um die Klausur – um
deinen Aufsatz über Hamlet, den der Prof. so gelobt hat. Ich hab meinen Essay
diesmal nicht so gut hingekriegt, und deshalb wollte ich dich fragen, ob du mir
bei der Verbesserung helfen könntest.“
    „Du
meinst, ich soll dir Nachhilfe geben?“ Es klang, als hätte ich ihn dazu
aufgefordert, eine Münze hinter meinem Ohr hervorzuzaubern. Ich hatte
vollkommen Recht gehabt: Das hier war peinlich und entwürdigend.
    „Ja,
bitte“, bestätigte ich kleinlaut, obwohl allmählich Ärger in mir darüber
aufstieg, mich überhaupt in diese Situation gebracht zu haben.
    Unschlüssig
rieb Rasmus sich mit einer Hand den Nacken. „Na ja, welche Note hast du denn
auf die Klausur bekommen?“
    „Eine
Zwei.“
    Einige
Sekunden lang sah er mich schweigend an. „Aha.“
    „Jetzt
denkst du wahrscheinlich, dass ich eine Streberin bin“, sagte ich heftig und
reckte trotzig das Kinn vor.
    Wieder
gab es eine kurze Pause, bevor er antwortete. „Aber

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