Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)
Zentimeter von
meinem ramponierten Gesicht entfernt, gab er etwas von sich, das in etwa wie
ein Räuspern klang. Dann schwang er sich kommentarlos über die Lehne und
landete direkt neben mir.
Es
ist nur peinlich, wenn du die Peinlichkeit zulässt.
„Ähm,
ist eigentlich nicht so wichtig. Ich meine, ich könnte es zur Not verschieben.
Aber kannst du dir denn jetzt auch ein paar Stunden Zeit nehmen?“, fragte ich
und versuchte dabei einen strengen Tonfall anzuschlagen, der nur mäßig gelang.
„Aber
sicher doch.“
„Und
du hast deine Unterlagen dabei?“
„Na
klar.“
„Und
… du wirst mich auch nicht Rudolph nennen?“
„Würde
mir nicht im Traum einfallen.“ Sein kurzer Hustenanfall kam mir ziemlich verdächtig
vor.
„Meinetwegen.
Wohin wollen wir gehen? Vielleicht können wir einen Platz in der Bibliothek
ergattern …“
Ohne
mich ausreden zu lassen, langte Rasmus zu mir herüber, zog mir das Heft einfach
aus der Hand und schlug es auf. Während er las, wirkte er auf merkwürdige Weise
zugleich entspannt und hochkonzentriert, so als gelänge es ihm dabei alles
andere auszublenden. Zwischen seinen Augenbrauen erschien eine winzige
senkrechte Falte. Ich rutschte unruhig auf meinem Platz hin und her, bis er das
Heft endlich wieder sinken ließ.
„Sauklaue“,
bemerkte er trocken.
„Gar
nicht!“
„Ziemlich
viele Adjektive.“
„Ist
ja auch kein Zeitungsartikel.“
Auf
einen Schlag veränderte sich sein Gesicht. Wenn er lächelte, wurden seine Augen
noch schmaler, und zu beiden Seiten seiner Mundwinkel verwandelten sich seine
Grübchen schließlich in breite Lachfalten. „Dein Essay ist gut, wirklich“,
sagte er unvermittelt. „Den Scott stört doch nur, dass du deinen
Interpretationsansatz so darstellst, als wäre er der einzig Richtige. Ich könnte
dir schon ein paar kleine Tipps geben, aber bist du dir sicher, dass du sie
hören willst? Du scheinst nicht sehr empfänglich für meine Kritik zu sein.“
„Entschuldige“,
murmelte ich betreten. „Ich bin es nicht gewohnt, Nachhilfeunterricht zu
nehmen.“
„Und
ich bin es nicht gewohnt, welchen zu geben. Für so was bin ich irgendwie“, er
lehnte sich zurück und musterte mich kurz, „zu cool.“ Unbehaglich fragte ich
mich, ob er wohl meinen Kommentar über seine späte Hamlet -Lektüre und
seine Bad-Boy-Attitüde mitangehört hatte. Bevor ich ernsthaft anfangen konnte,
mich zu schämen, setzte er hinzu: „Und zu hungrig. Ich würde vorschlagen, wir
gehen jetzt erst mal irgendwo was essen.“
„Du
willst mir beim Essen bei der Verbesserung meines Aufsatzes helfen?“,
fragte ich skeptisch.
„Ja,
wieso nicht? Auf dem Weg dorthin überlege ich mir, wie viel von meiner Weisheit
ich mit dir teilen kann. Da kommen mir bestimmt die besten Einfälle, denn wie
hieß es doch gleich bei Mark Twain? Hunger is the handmaid of genius. ”
„Ich
bin sicher, das war irgendwie anders gemeint.”
„Siehst
du, wir werden uns nachher noch wunderbar über die Interpretationsmöglichkeiten
von Literaturzitaten streiten können“, stellte er aufmunternd fest. „Und jetzt
lass uns fahren. Ich kenne da ein italienisches Restaurant, in dem die Pasta
wirklich gut ist. Hm – besser als beim letzten Mal.“ Es hörte sich fast so an,
als wollte er sich für mehr als nur das schlechte Essen bei unserem Treffen
entschuldigen.
„Okay“,
willigte ich etwas atemlos ein, „dann freu ich mich schon auf Spaghetti.“
„Und
auf deine Begleitung natürlich. Ich übernehme den galanten Part jetzt einfach
mal für dich.“
Obwohl
ich angestrengt auf mein Heft starrte, glaubte ich sein breites Grinsen
wahrnehmen zu können. „Ist doch klar“, murmelte ich, dann ließ mich die
Verlegenheit trotzig werden. „Du könntest dich ja auch einmal etwas mehr wie
ein Gentleman benehmen.“
„Gern.
Soll ich jetzt?“, fragte er, und in seiner Stimme lag etwas, das mich erneut
nervös auf der Bank herumrutschen ließ.
„Schon
gut“, würgte ich kleinlaut hervor. Ich war mir nun sicher, dass er sich über
mich lustig machte, und diese charakterliche 180-Grad-Wende, die er seit
unserem missglückten Date hingelegt hatte, bereitete mir beinahe Ohrensausen.
„Du
hast Recht, so auf Befehl wird das nichts. Also, können wir los?“
„Mhm
…“ (Ich hatte in diesem Moment die überflüssige Entdeckung gemacht, dass das
Braun von Rasmus‘ Augen mit hellen Sprenkeln durchsetzt war, und gab mir einen
Ruck.) „Ich meine: ja.“
Obwohl
ich wegen des
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