Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)
aber es ist
das Beste für alle Beteiligten. Du sollst aber wissen, dass ich in Gedanken
immer bei dir verweilen werde … bis ich dereinst hierher zurückkehre.“
Ich
starrte ihn an – nicht sicher, ob er gerade dabei war, den Verstand zu
verlieren, oder ich. „Wann? Wann kehrst du zurück?“
„Oh
– am Montag.“ Sein Grinsen verwandelte seine Augen in schmale Halbmonde, und
ich fühlte mich auf einmal zu schwach, um die Hand zu heben und ihm auch nur
den allerkleinsten Schlag zu versetzen. „Das ganze Team fährt übers Wochenende
zu einer Meisterschaft … der Coach hat es bloß bis heute in der Schwebe
gelassen, ob er mich mitnehmen oder stattdessen ein Exempel an mir statuieren
möchte.“ Er runzelte die Stirn, als er fortfuhr: „Eigentlich wollte ich es dir
heute in Englisch oder während der Mittagspause sagen, aber du warst ja wie vom
Erdboden verschluckt.“
„Und
deswegen hast du bis jetzt auf mich gewartet?“ Ich spürte, wie allmählich die
Wärme wieder in meinen Körper zurückströmte.
„Hat
ja nicht allzu lange gedauert.“
„Es
ist beinahe acht Uhr.“
„Ich
hatte ein spannendes Buch dabei. Die Zeit ist wie im Flug vergangen.“
„Und
eiskalt, sogar hier drin!“
„Ich
fühle mich bei solchen Temperaturen absolut wohl.“
„Ach
was!“
„Ach
ja! Und ich dachte, das gehört sich so unter Freunden – dass man nicht einfach
so abhaut?“
Das
Lächeln, das sich auf mein Gesicht stahl, war so breit, dass es in meinen
Wangen spannte. „Tut es auch. Das war aber trotzdem ganz besonders nett von
dir!“
„Was
ich dir noch sagen wollte: Deine Nase sieht schon viel besser aus. Dieses
Blasslila gefällt mir ausnehmend gut“, erklärte Rasmus und starrte dann
konzentriert auf die Straße, doch im Licht der Laternen konnte ich ganz
deutlich erkennen, dass er sich das Lachen verkniff.
6.
Kapitel
Der
nächste Schultag war … merkwürdig. Die Basketballmannschaft war offenbar schon
vor der ersten Stunde aufgebrochen, und zum allerersten Mal, seit ich in die
Galilei High School ging, war ich nicht von Angst, Verlegenheit oder Aufregung
erfüllt, sondern konnte mich voll und ganz auf den Unterricht konzentrieren.
Den
Nachmittag und Abend verbrachte ich mit Jinxy, die ja nicht ahnen konnte, dass
meine Angst vor dem imaginären Einbrecher verflogen war. Sie hatte versprochen,
mir das ganze Wochenende über Gesellschaft zu leisten: Das bedeutete jede Menge
Spiele, Knabberzeug und Zeichentrickfilme.
„Weißt
du, was ich an all diesen Disney-Kerlen am besten finde?“, fragte Jinxy,
schluckte einen Mundvoll Chips herunter und tat dann so, als müsste sie niesen,
um mich beim Herausschieben eines Jenga-Hölzchens zu stören. „Die haben alle so
wahnsinnig tolle Haare. Na gut, die Wallemähne vom Biest ist vielleicht nicht
jedermanns Sache, aber John Smiths blonder oder Prinz Erics schwarzer Schopf?
Die können sich mit Indianerinnen und Meerjungfrauen herumschlagen, so viel sie
wollen, aber die Föhnwelle sitzt perfekt. Sogar Li Shang aus Mulan sieht
mit diesem Zöpfchen und den Geheimratsecken irgendwie scharf aus. Solche Männer
findest du im echten Leben nicht!“
„Ich
wüsste da schon einen“, rutschte es mir heraus und ich musste grinsen. „Er hat
zwar keine Föhnwelle, aber …“
Jinxy
warf mir einen Blick zu und rümpfte dabei ein wenig die Nase, als wäre ihr
plötzlich ein merkwürdiger Geruch aufgefallen. „Lily, sieh dich an. Du
schwärmst. Das ist süß und ein ganz klein wenig widerlich.“
„Ich
wiederhole mich ja wirklich nur ungern, aber du zwingst mich dazu: Rasmus und
ich sind –“
„Mhm,
ja“, unterbrach sie mich. „Das werde ich auf euren Grabstein schreiben lassen: Hier
liegen Lily und Rasmus, im Tode endlich vereint. Sie waren nur Freunde. “
„Wieso
würde man uns in dasselbe Grab packen?“, fragte ich irritiert. „Hast du da
irgendwelche Pläne für uns, von denen ich nichts wissen soll?“
„Na
schön, vielleicht hatte ich vor, euch beide zu verkuppeln!“, rief sie und warf
die Hände in die Luft, wobei sie den Jenga-Turm umstieß. „Und du kannst sagen,
was du willst – ich habe ein gutes Auge für so etwas. Aber du weißt noch so gut
wie gar nichts über den Typen und benimmst dich trotzdem, als würdest du ihn
seit Ewigkeiten kennen.“
„Was
soll denn das heißen, ich weiß nichts über ihn?“
„Na
ja, wo hat er früher gelebt? Wie sind seine Eltern so? Hat er Geschwister?
Haustiere? Witzige Tattoos?“
„Ich
will
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