Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)
mich auf dem Laufenden“, hörte ich ihn noch hinter mir, während ich über
den Flur davonhastete.
Am
Nachmittag kamen meine Eltern von ihrer Schottlandreise zurück und rissen mich
mit ihrer geräuschvollen Ankunft aus meinem düsteren Brüten. Rasch setzte ich
die Miene einer sorgenfrei-heiteren Tochter auf und lief zur Eingangstür, wo
mich meine Mutter in die Arme schloss und mein Vater mir ein Mitbringsel
überreichte: Es hieß haggis , gehörte angeblich zu einem typisch
schottischen Frühstück und sah aus wie ein knorpeliger Lederball. Als ich
herausfand, dass es sich dabei um einen mit Innereien gefüllten Schafsmagen
handelte, ließ ich das Präsent unauffällig im Mülleimer verschwinden.
Ebenso
unauffällig versuchte ich mich zu verhalten, als meine Eltern mich danach
fragten, wie es mir in den letzten Tagen ergangen war. Ich hatte allmählich das
Gefühl, seit meinem Start an der Galilei High von Mal zu Mal weniger von meinem
Leben preisgeben zu können. Andererseits hatte ich jedoch nicht die geringste
Lust, mit ihnen über halluzinierte Einbrüche und diverse
Herzschmerz-Angelegenheiten zu sprechen. Stattdessen gab ich vor, mich brennend
für die Fotos zu interessieren, die sie auf ihrer Reise gemacht hatten. Während
sie begeistert über eine verwirrend große Anzahl verschiedener Castles
referierten, starrte ich schweigend auf die Bilder und dachte daran, wie gern
ich Rasmus auf dem Herbstball die Pappkartonburg präsentiert hätte. Eigentlich
war es ja lächerlich, dass ich mich auf einmal derartig für solche
Feierlichkeiten erwärmen konnte: In meiner alten Schule hatte man deshalb zwar
wesentlich weniger Aufwand betrieben als an der Galilei High, aber es hatte
doch zumindest einmal jährlich einen DJ, massenhaft Punsch und Luftballons in
der Turnhalle gegeben, und ich war diesen Veranstaltungen jedes Mal guten
Gewissens ferngeblieben. Im Grunde war es also durchaus nachvollziehbar, dass
Rasmus sich um die anstehende „Tanzerei“ nicht scherte … allerdings wollte es
mir einfach nicht gelingen, mir einzureden, dass sein Desinteresse
ausschließlich dem Ball gegolten hatte.
Schlagartig
musste ich wieder daran denken, wie ich mich ihm bei meinem überfallsartigen
Besuch im St. Christophorus geradezu an den Hals geworfen hatte. Ich stöhnte
gequält auf, sodass mein Vater seinen Vortrag etwas gekränkt abbrach. Rasch
behauptete ich, schrecklich hungrig zu sein, und ehe meine Mutter anbieten
konnte, mir ein höchst delikates Schafsmagengericht zuzubereiten, eilte ich in
die Küche. Mechanisch holte ich drei Steaks aus dem Kühlschrank und briet sie
in einer Pfanne scharf an, wobei mir das heiße Fett über die Finger spritzte.
Die Brandblasen, die binnen weniger Sekunden auf meiner Haut wuchsen,
erinnerten mich freundlicherweise daran, dass sich an meinem Pechvogeldasein
absolut nichts geändert hatte.
„Hey,
ihr zwei“, sagte jemand hinter uns und erwischte Jinxy am fransigen Ende ihres
Regenbogenschals. Kichernd wandte sich meine Freundin um und tat dabei so, als
würde sie stranguliert. Auch ich drehte den Kopf, allerdings von einer
unangenehmen Vorahnung erfüllt, die sich gleich darauf bestätigte: Da stand
Eric und strahlte über das ganze spitze Gesicht. Statt des Verbands trug er nur
noch ein Pflaster knapp unter dem Haaransatz, und seine Haltung wirkte so
selbstbewusst wie vor dem Unfall.
„Oh,
du bist also zurück“, begrüßte ihn Jinxy ahnungslos und schüttelte meine Hand
von ihrer Schulter, als ich versuchte, sie zum Gehen zu bewegen.
„Jap,
ich bin genau zum richtigen Zeitpunkt wieder auf den Beinen“, antwortete Eric
vergnügt. „Ich hoffe, ihr wisst schon Bescheid – heute Abend steigt im Netherworld eine Party für das Basketballteam. Wir dachten, jetzt, da auch unser Coach
wieder aus dem Krankenhaus entlassen wurde, könnten wir unseren Erfolg bei der
Meisterschaft ein bisschen feiern.“
Während
Jinxy begeistert zusagte, beobachtete ich Eric stirnrunzelnd. Nichts an seinem
gelösten Auftreten zeugte davon, dass er mich noch vor wenigen Tagen bedroht
und wirre Anschuldigungen gegen seinen Teamkollegen ausgestoßen hatte.
Anscheinend hatte er diesen Zwischenfall nicht nur vollkommen vergessen,
sondern sich auch mit dem errungenen zweiten Platz ausgesöhnt, der laut Rasmus
doch der Grund für seine Feindseligkeit gewesen war. Seine gute Laune war
geradezu unheimlich – er wirkte im wahrsten Sinne des Wortes wie ausgewechselt,
als wären der panische Junge
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