Verbannt
Augen verdunkelten sich und er schwieg. Löwenpfote begriff nicht, warum er so bedrückt aussah, wo er doch davon sprach, wie er Bach kennengelernt hatte. »Was ist los?«
Sturmpelz stieß einen langen Seufzer aus. »Meine Schwester Federschweif war mit uns unterwegs«, erklärte er. »Sie war eine wunderschöne, warmherzige Katze. Sie starb in den Bergen.«
Löwenpfote nahm allen Mut zusammen und legte seinen Schwanz tröstend auf die Schulter des grauen Kriegers. »Was ist passiert?«
»Der Stamm wurde von einem Berglöwen gejagt. Eine Prophezeiung besagte, dass eine silberne Katze kommen und sie retten würde. Zuerst dachten alle, ich sei das, aber es war Federschweif. Sie starb, um die Stammeskatzen zu retten.« Seine Stimme bebte. »Ich musste sie dort zurücklassen, in einem Grab in den Bergen.«
»Das tut mir so leid«, miaute Löwenpfote und versuchte sich vorzustellen, wie es wäre, wenn Distelpfote stürbe.
Sturmpelz leckte sich ein paarmal die Brust und riss dann den Kopf hoch, als würde er eine Fliege verjagen. »Die Monde ziehen vorüber und das Leben geht weiter.«
»Ich hoffe, du bist nicht böse, weil ich gefragt habe.«
»Natürlich nicht.« Sturmpelz klang nun wieder wie sonst. »Du kannst mich alles fragen, was du willst. Und wenn ich dir helfen kann, dann tu ich das gerne.«
»Danke.« Löwenpfote fühlte sich so gewärmt und getröstet, als hätte er ein dickes Stück Frischbeute verschlungen. »Es ist einfacher, mit dir zu sprechen, als mit einer DonnerClan-Katze – oh, entschuldige.« Er verstummte und scharrte verlegen mit den Pfoten. »Ich wollte nicht …«
»Schon gut«, miaute Sturmpelz. »Ich weiß, was du meinst. Es stimmt, ich bin hier nur ein Besucher, auch wenn meine ganze Loyalität Feuerstern und deinem Vater und den anderen DonnerClan-Katzen gehört.«
»Wo fühlst du dich eigentlich zu Hause?«, miaute Löwenpfote neugierig. »Beim FlussClan oder beim Stamm des eilenden Wassers oder beim DonnerClan?«
Sturmpelz antwortete nicht gleich. Seine Augen wurden nachdenklich. »Im Herzen bin ich eine FlussClan-Katze«, erwiderte er schließlich. »Dort bin ich aufgewachsen und dort wurde ich zum Krieger. Aber das war noch damals im Wald und diese Heimat gibt es nicht mehr, für keinen von uns. Jetzt gilt meine Treue dem DonnerClan, weil ihr mich und Bach aufgenommen habt. Und es ist schön, im gleichen Clan wie Graustreif zu leben und ihn besser kennenzulernen.«
»Wirst du für immer bei uns bleiben?«
»Ich weiß es nicht. Das hier ist nicht Bachs Heimat, und wenn sie nicht bleiben möchte, werde ich sie nicht zwingen.«
»Warum geht ihr nicht zurück in die Berge?«
Ein düsterer Blick kroch in Sturmpelz’ Augen. »Das ist nicht so einfach.«
»Ihr könntet doch einen Besuch dort machen«, schlug Löwenpfote vor.
»Nein, das ist zu weit«, miaute Sturmpelz hastig, stand auf und schüttelte sich. »Komm, es ist Zeit, dass wir zurück ins Lager gehen.«
Bei einem Blick über die Schulter sah Löwenpfote, dass das Training vorüber war. Aschenpelz und die anderen Schüler waren auf dem Weg zum Felsenkessel. Von Beerennase war nichts zu sehen.
»Geh du schon mal vor«, sagte Löwenpfote zu Sturmpelz. »Ich komme gleich nach.«
»Gut.« Sturmpelz sprang davon, um Aschenpelz und die anderen einzuholen.
»Danke, Sturmpelz!«, rief Löwenpfote ihm nach.
Sturmpelz schlug als Antwort mit dem Schwanz, während er in den Büschen verschwand.
Löwenpfote drehte sich um und trottete zwischen die Bäume auf der anderen Seite der Lichtung. Er blieb kurz stehen und vergewisserte sich, dass Sturmpelz wirklich weg war, dann lief er immer schneller in Richtung WindClan-Grenze. Keuchend blieb er am Ufer des Baches stehen und schaute über das offene Moor. Die Sonne ging unter, überzog die Oberfläche des Sees mit einem roten Licht und warf Löwenpfotes Schatten lang über das Ufer. Löwenpfote genoss ihre wärmenden Strahlen und die sanfte Brise, die sein Fell zauste.
Doch die Landschaft vor ihm sah kahl und abweisend aus. Hier gab es keine Deckung, kein weiches Moos, kein Unterholz als Schlupfwinkel für Beute. Löwenpfote wusste, dass er niemals im WindClan leben könnte. Er würde die Bäume zu sehr vermissen. Er konnte sie jetzt hören, direkt hinter sich, das Rascheln der Blätter im Wind. Das könnte er niemals aufgeben, sosehr er Heidepfote auch liebte.
Und sie könnte niemals im DonnerClan leben, auch das wusste er. Sie fühlte sich unter den Bäumen gefangen, sie
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