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Verbannte der Ewigkeit

Verbannte der Ewigkeit

Titel: Verbannte der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Theoretisieren. Barrett bemerkte, daß Bernstein, der offensichtlich jüngste der Gruppe, am meisten und am lautesten redete. Er feuerte eine Wortkanonade nach der anderen ab, aber es kam nur sehr wenig dabei heraus. Barrett imponierte die feste Überzeugung Pleyels, der klare, scharfe Verstand Hawksbills und Jacks Können auf dem Gebiet wortgewandter Rhetorik. Aber immer wieder kam er zu der Überzeugung, daß er hier seine Zeit verschwendete.
    So gegen einundzwanzig Uhr fragte Janet ihn: »Wo wohnst du?«
    »In Brooklyn. Kennst du den Prospect-Park?«
    »Ich komme aus der Bronx. Wo arbeitest du?«
    »Ich gehe noch zur Schule.«
    »Ach ja, du bist ja in Jacks Klasse.« Sie schien ihn zu taxieren. »Du siehst aber älter aus? Bist du auch erst sechzehn?«
    »Ja.«
    »Vielleicht können wir uns einmal treffen«, schlug sie vor. »Aus nicht-politischen Gründen, meine ich. Ich möchte dich kennenlernen.«
    »Gern«, sagte Barrett. »Eine gute Idee.«
    Kurz danach hatte er bereits eine Verabredung getroffen. Barrett versuchte sich selbst einzureden, daß es die Höflichkeit verlangte, auch diesem Mädchen einmal eine Freude zu machen. Kein Zweifel, sie war sehr leicht zu beeindrucken. Es ging ihm nicht auf, daß er damit seinen Freund Jack vor den Kopf stieß, und als er später daran dachte, fand er nichts Schlechtes dabei, denn Jack hatte ihm ja versprochen, daß er hier nette Mädchen treffen würde, und wenn das in Erfüllung ging, konnte er nichts dafür.
    Er hatte nicht vor, je wieder ein weiteres Treffen dieser Gruppe zu besuchen, aber in diesem Punkt irrte er sich gewaltig, wie in so vielen Dingen danach. Er wußte damals noch nicht, daß seine ganze weitere Entwicklung von diesem Abend beeinflußt worden war. Er ahnte weder, daß an diesem Abend der Keim zu einer großen Liebe gelegt worden war, noch, daß er an diesem Abend den ersten Schritt zu einem schrecklichen Schicksal getan hatte. Er ahnte auch nicht, daß ein Freund sich in seinen größten Feind verwandeln würde, der ihn diesem Schicksal überantwortete.

 
5.
     
    Am Abend von Lew Hahns Ankunft versammelten sich die Bewohner des Hawksbill-Lagers zum gemeinsamen Essen und zur Unterhaltung im Hauptgebäude. Es bestand keine Pflicht, zu kommen, und viele zogen es vor, allein zu bleiben. Heute abend aber waren fast alle gekommen, denn das war die seltene Gelegenheit, einen Neuen über Oben und über die Menschen dort direkt zu befragen.
    Hahn war die Aufmerksamkeit, die man ihm schenkte, sichtlich unangenehm. Er wurde von einer Gruppe von Männern, die zwanzig oder dreißig Jahre älter waren als er, mit Fragen bestürmt.
    Barrett beteiligte sich nicht an der Unterhaltung. Seine Neugier über ideologische Veränderungen Oben war schon vor langer Zeit fast erloschen. Oftmals hatte er Mühe, sich zu erinnern, daß er einst überzeugt für mehr Rechte, gegen Syndikalismus und für die Diktatur des Proletariats und ein jährliches Mindesteinkommen für alle gekämpft hatte. Als er sechzehn Jahre alt gewesen war, hatte Bernstein ihn zu Untergrundversammlungen mitgenommen, obwohl er sich nicht sonderlich dafür interessiert hatte. Aber damals war er vom Virus der Revolution infiziert worden, und er hatte noch im Alter von sechsunddreißig für sie gearbeitet und Verbannung und Gefängnis dafür in Kauf genommen. Jetzt war er wieder fast so unpolitisch wie in seiner frühen Jugend.
    Nicht, daß sich seine Grundeinstellung den Menschen gegenüber geändert hätte – aber er hatte mehr Abstand von den politischen Problemen des einundzwanzigsten Jahrhunderts gewonnen. Nach zwei Jahrzehnten im Hawksbill-Lager war das Oben zu etwas Neubulösem, Unwirklichen verschwommen, und er konzentrierte sich seit längerer Zeit mehr auf die Probleme seiner Zeit – des Spätkambriums.
    Er hörte also jetzt schweigend zu, aber eher, um etwas über Lew Hahn als über die Verhältnisse Oben zu erfahren. Und was in bezug auf Hahn herauskam, war mehr das, was nicht dabei herauskam. Er redete so wenig wie möglich und schien sich um konkrete Antworten herumzudrücken.
    Charley Norton wollte wissen, ob der Konservatismus bereits überwunden sei. »Das Ende der Regierung wird doch seit dreißig Jahren vorausgesagt, und doch sitzt sie immer fester im Sattel. Hat der Auflösungsprozeß schon begonnen?«
    Hahn rutschte unruhig auf seinem Sessel hin und her. »Man macht immer noch nur Versprechungen. Sobald sich die Verhältnisse stabilisieren …«
    »Wann ist das?«
    »Ich weiß es

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