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Verbannte der Ewigkeit

Verbannte der Ewigkeit

Titel: Verbannte der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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vergessen dann meist sehr schnell, zu verschwinden und ihre Versprechen einzulösen, wenn der Zeitpunkt dafür gekommen ist.
    Die Gruppen, die in das Vakuum nachgestoßen waren, das die vorige Regierung hinterlassen hatte, formten einen sechzehnköpfigen Syndikats-Rat, der von einem Kanzler geführt wurde. Mit der neuen Regierung wurden viele fremde, ungewohnte Begriffe eingeführt in ein Land, das seit Jahrhunderten nur Präsidenten, Senatoren und Staatssekretäre gekannt hatte. Früher hatte es den Anschein gehabt, als habe der, der einen solchen Posten einmal erlangt habe, ihn für alle Ewigkeit, und plötzlich war das anders, denn die alten Begriffe waren durch neue ersetzt worden. Am ausgeprägtesten war dieser Wechsel in den höchsten Stellen; die Bürokratie, der öffentliche Dienst blieben praktisch unverändert bestehen, was auch notwendig war, wenn nicht alles im Chaos untergehen wollte.
    Die neue Regierungsspitze setzte sich aus bisher unbekannten und daher für den Bürger fremden Leuten und politischen Richtungen zusammen. Man konnte sie weder konservativ noch liberal nennen, jedenfalls nicht in dem Sinne, wie man diese Worte im zwanzigsten Jahrhundert interpretiert hatte. Die neuen Männer waren Männer der Tat, ihre Philosophie war die Arbeit, sie wollten die öffentlichen Leistungen verbessern und gleichzeitig alles gestrafft zentral lenken. Man konnte sie daher vielleicht als Marxisten oder Neue Liberale bezeichnen, aber sie hielten auch die Unterdrückung bestimmter Dinge zum Wohle der Allgemeinheit und des harmonischen Zusammenlebens für nötig. Das allerdings war niemals liberale Politik gewesen und meist nur bei den leninistischen, stalinistischen oder maoistischen Perversionen des Marxismus vorgekommen. Auf der anderen Seite waren die Regierungsspitzen fast durchweg Kapitalisten, die den wirtschaftlichen Interessen alles andere unterordnen wollten und viel Energie darauf verwendeten, das wirtschaftliche Klima von, sagen wir, 1885, wieder einzuführen. In auswärtigen Angelegenheiten waren sie Isolationisten und reaktionäre Antikommunisten, und das wurde fast bis zum Fremdenhaß getrieben. Milde ausgedrückt also eine höchst widersprüchliche Staatsphilosophie.
    »Das ist überhaupt keine Philosophie«, sagte Jack Bernstein und schlug mit der rechten Faust in die geöffnete linke Hand. »Das Ist nur eine Bande schwerbewaffneter Gangster, die zum rechten Zeitpunkt in ein Vakuum nachgestoßen ist. Sie tun einfach nur das, was dazu dient, sie weiter an der Macht zu halten und sorgen dafür, daß nicht alles auseinanderbricht. Sie haben zwar die Macht, wursteln sich aber von Tag zu Tag weiter, ohne weitreichende Konzeption.«
    »Sie werden wieder verschwinden«, sagte Janet sanft. »Ohne eine weiterreichende Konzeption bricht jede Machtkonstellation einmal auseinander. Man wird immer mehr gefährliche Fehler machen, nichts wird sie vom Abgrund zurückholen.«
    »Immerhin sind sie jetzt schon drei Jahre an der Macht«, sagte Barrett, »und nichts deutet darauf hin, daß sie verschwinden werden. Man richtet sich auf die nächsten tausend Jahre ein.«
    »Nein«, widersprach Janet. »Die Syndikalisten befinden sich bereits jetzt auf selbstmörderischem Kurs. Vielleicht dauert es noch drei oder zehn Jahre, vielleicht aber auch nur drei Monate, bis alles auseinanderbricht. Man kann keinen McKinley-Kapitalismus mit einem Roosevelt-Sozialismus vermischen und das dann syndikalistischen Kapitalismus nennen, mit dem man ein Land von dieser Größe regieren kann. Es ist unvermeidlich, daß …«
    »Wer behauptet denn, daß Roosevelt jemals ein Sozialist war?« rief jemand dazwischen.
    »Verlieren wir uns nicht in Einzelheiten und Nebensächlichkeiten«, warf Norman Pleyel ein.
    »Ich stimme Jim zu«, sagte Jack Bernstein. »Die gegenwärtige Regierung sitzt fester denn je im Sattel, und wir sitzen hier fest und reden und reden. Wir redeten schon, als sie an die Macht kamen, und seit drei Jahren tun wir praktisch nichts anderes.«
    »Doch, wir haben etwas getan«, warf Barrett ein.
    Jack Bernstein lief erregt auf und ab. »Flugblätter verteilt, Streikaufrufe, Petitionen, ja! Wozu das alles, frage ich, wozu?« Mit neunzehn Jahren war Jack Bernstein immer noch nicht größer als mit sechzehn, im Gegenteil, jetzt war er hagerer als vorher, seine Wangenknochen sprangen weit hervor, die Haut war faltig geworden. Er trug einen nur spärlich sprießenden Bart. Allerdings hatten unter dem Druck der Ereignisse der

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