Verbannte der Ewigkeit
Trotzdem fühlte er bei diesem Anblick innerlich einen Stich; ihm war, als hätte man ihn aufgeschnitten und sein Innerstes nach außen gekehrt.
Er bückte sich, schloß ein Buch und stellte es zurück ins Regal. Dann lehnte er sich dagegen und schloß für ein paar Sekunden die Augen, um das Gefühl der verzweifelten Leere in seinem Innern ein wenig abklingen zu lassen.
Nach ein paar Minuten sagte er: »Laß deine Verbindungen spielen, Jack, und hol sie aus dem Gefängnis.«
»So gut sind meine Verbindungen nun auch wieder nicht!«
Barrett fuhr herum. Er ergriff Bernstein an den Schultern und schüttelte ihn, bis er blaß wurde.
»Was heißt das? Kannst du nichts tun? Du könntest zumindest herausbekommen, wo man sie festhält, wir holen sie dann heraus!«
»Jim … Jim … hör auf!«
»Du und deine guten Verbindungen! Verdammt, man hat sie verhaftet! Bedeutet dir das denn gar nichts?«
Bernstein versuchte vergeblich, Barretts festem Griff zu entkommen. Langsam beruhigte Barrett sich wieder und ließ ihn los. Mit rotem Gesicht und nach Luft schnappend ging Bernstein ein paar Schritte zurück. Er sah verängstigt aus, aber aus seinem Blick war die sadistische Freude noch nicht verschwunden.
Leise sagte er: »Du Gorilla, rühr mich nicht noch einmal an!«
»Entschuldige, Jack! Ich bin fix und fertig. Ich muß dauernd daran denken, daß man Janet gerade jetzt vielleicht verhört, sie quält, schlägt oder vergewaltigt …«
»Wir können nichts tun, denn wir haben keine Möglichkeit für einen offenen Protest, auch keinen inoffiziellen. Man wird sie verhören und dann vielleicht freilassen – leider ist das völlig unserer Kontrolle entzogen.«
»Nein, wir werden sie finden und befreien!«
»Denk erst nach, bevor du sprichst, Jim. Jedes einzelne Mitglied unserer Gruppe ist unersetzbar. Wir können nicht unsere gesamte Arbeit bei dem Versuch riskieren, Janet zu befreien. Es sei denn, du hältst das für so wichtig, dafür die Existenz der Gruppe und vielleicht das Leben deiner Kameraden aufs Spiel zu setzen. Du mußt wissen, ob unser großes Ziel wichtiger ist als Janet, die übrigens für die praktische Arbeit in der Gruppe seit längerem unerheblich geworden ist …«
»Du ekelst mich an«, sagte Barrett scharf.
Aber er wußte, daß Bernstein recht hatte. Niemand von der Führung der Gruppe war bisher verhaftet worden, aber Barrett wußte, daß jetzt der Reigen der Verhaftungen auch für sie begonnen hatte. Es war aussichtslos, die Regierung zur Freilassung eines Gefangenen zwingen zu wollen.
Im ganzen Land verteilt gab es Untersuchungsgefängnisse, und Janet konnte in Dakota oder Nevada oder ganz woanders sein. Vielleicht war sie aber auch schon wieder frei und auf dem Weg nach Hause. Unberechenbarkeit ist eine der Eigenschaften totalitärer Systeme – mit keiner Aktion bestand eine Aussicht, Janet zu befreien, man konnte nur auf ein Wunder hoffen.
»Ich schlage vor, du trinkst erst einmal etwas«, sagte Bernstein. »Dann kommst du wieder etwas zur Ruhe und kannst logisch denken.«
Barrett rückte. Er ging zur Hausbar, wo er immer ein paar Flaschen stehen hatte, aber sie war leer, ausgeräumt. Barrett starrte eine Minute lang schweigend in die Bar, dann sagte er:
»Sogar der Schnaps ist weg. Verschwinden wir von hier, ich halte es hier nicht mehr aus.«
»Wohin willst du?«
»In Pleyels Büro.«
»Dort könnten Wachen stehen, die jeden verhaften, der sich sehen läßt«, sagte Bernstein.
»Dann lasse ich mich eben verhaften; sie können uns sowieso verhaften, wann immer sie wollen. Kommst du mit?«
Bernstein schüttelte den Kopf. »Nein, lieber nicht. Du bist jetzt unser Führer, Jim, also sei vorsichtig. Ich bleibe mit dir in Verbindung, okay?«
»Ja.«
»Und ich rate dir, mehr deinen Verstand zu benutzen, als dich von Emotionen leiten zu lassen, wenn du noch länger frei bleiben willst.«
Sie verließen die Wohnung, und Barrett fuhr hinüber zur Arbeitsvermittlung. Er beobachtete das Gebäude eine Weile von der anderen Straßenseite, sah nichts Verdachterregendes, und ging hinein. Das Büro war verlassen. Barrett schloß sich ein und rief die anderen Gruppenführer in ihren Zentralen in Jersey City, Greenwich, Nyack und Suffern an. Die Informationen, die er erhielt, deuteten auf eine konzertierte Aktion von Verhaftungen hin. Nicht überall waren führende Mitglieder der Untergrundzellen verhaftet worden, aber bei fast jeder hatte man am Nachmittag zwei oder drei Mitglieder
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