Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verbannte der Ewigkeit

Verbannte der Ewigkeit

Titel: Verbannte der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
Krebses geleistet habe. Barrett, der genügend Arbeit mit der täglichen Routine hatte, verlor manchmal das Ziel aus den Augen oder vergaß völlig, daß hinter allem ja ein hehres Ansinnen steckte. Er drohte, im Gegensatz zu Pleyel, der sich ganz den Theorien verschrieben hatte, in einen bezugslosen Aktivismus zu verfallen. Valdosto bewahrte ihn vor diesem Schritt. Durch ihn wurde Barrett wieder mehr herausgefordert, sich mit den theoretischen Ansätzen seiner Arbeit auseinanderzusetzen.
     
    Für Valdosto gab es nichts Abstraktes an der Revolution, und gerade das forderte Barrett immer wieder heraus. Für Val, wie sie ihn nannten, bestand sie nur aus einer Reihe von Bombenanschlägen und Sabotageakten. Er hielt die gesichts- und gefühllose Bürokratie für seinen persönlichen Feind und malte sich in allen Farben schon die Strafen aus, die er für die Bürokraten bereit hatte. Die Intensität, mit der er alles, was er tat, betrieb, wirkte ansteckend auf Barrett. Er, der immer wieder bewußt Abstand von Vals Zerstörungswut halten mußte, erinnerte sich plötzlich an den ursprünglichen Grund für all seine Kleinarbeit, den täglichen Ärger. Valdosto belebte den revolutionären Schwung in ihm, der sehr schwer über Jahre und Jahrzehnte zu erhalten war, wenn man sich nur mit Routine abgeben mußte.
    Wenn er gerade einmal keine blutrünstigen Pläne schmiedete, war er ein quirliger, verrückter Zeitgenosse.
    Ihm fehlten jegliche Hemmungen und auch Schamgefühle, und eine seiner Lieblingsbeschäftigung war es, nackt wie ein Raubtier im Käfig durch die Wohnung zu rennen. Oftmals hatte er Mädchen auf seinem Zimmer, und immer wieder wurde plötzlich die Tür aufgerissen, und kreischend kam ein Mädchen herausgerannt, verfolgt von einem, in gespielter Wut brüllenden Valdosto. Barrett, Pleyel und zwei andere Kameraden waren völlig perplex.
    »Er ist noch ein völlig unverdorbenes Naturkind«, erklärte Barrett seinen Freunden verlegen.
    Valdosto legte sich immer wieder verrückte Angewohnheiten zu, und man konnte bei ihm nie sagen, was er als nächstes tun würde … Es waren wilde Monate für Barrett, aber mit der Zeit gewöhnte er sich an kreischende nackte Mädchen in der Wohnung und an Valdostos Eskapaden. Er sah nicht ein, warum das Leben eines Revolutionärs immer trist und arbeitsam sein mußte.
    Barretts Wohnung war inzwischen zu einem Anlaufpunkt für die Untergrundgruppe geworden, wie in den Tagen, als Janet noch bei ihm gewohnt hatte. Die Angst war von ihm gewichen, und obwohl er wußte, daß er überwacht wurde, zögerte er nicht, immer wieder Freunde einzuladen.
    Manchmal kam sogar Hawksbill zu ihm, sonst traf Barrett ihn aber meist, wenn er geschäftlich und nicht im Auftrag der Gruppe unterwegs war. Die Columbia-Universität war nach einer Zwangspause von drei Jahren wieder eröffnet worden, und eines Morgens im Frühling sah man ihn auf dem Weg nach den Morningside Heights zu einer Party bei einem Professor, den er flüchtig kannte – Golkin, hieß er wohl. Durch die rauchgeschwängerte Luft sah er plötzlich Hawksbill, ihre Blicke trafen sich, und die Männer nickten einander unauffällig zu. Beide erhoben sich und zwängten sich durch die Menschenmenge.
    Barrett hatte den Mathematiker seit fast zwei Jahren nicht mehr gesehen, und er war überrascht über die Veränderungen, die sich mit dem Wissenschaftler vollzogen hatten. Hawksbill war schon früher kein ausnehmend gutaussehender Mann gewesen, aber jetzt sah er aus, als litte er an einer Drüsenkrankheit, und die Wirkungen waren kaum zu übersehen. Seine Haare waren ihm völlig ausgegangen, die Haut seines Gesichts war faltig und gelb. Seine Lippen waren geschwollen, die Augen verschwanden fast in ihren Höhlen. Er hatte mehrere Kilogramm zugenommen, mit anderen Worten: er war fett geworden. Sein Händedruck war feucht und schwammig, und Barrett fiel erschrocken ein, daß Hawksbill gerade neun Jahre älter war als er selbst. Er sah aus wie jemand, der schon mit einem Bein im Grab steht.
    »Was machst du hier?« fragten beide gleichzeitig.
    Barrett lachte und erwähnte seine flüchtige Bekanntschaft mit dem Professor, dem Gastgeber. Hawksbill berichtete, daß er seit kurzem an der Fakultät für Neue Mathematik der Columbia-Universität arbeitete.
    »Ich denke, du haßt das Lehren und wolltest nie einen Professorenposten annehmen?« fragte Barrett.
    »Das tue ich immer noch – ich lehre auch nicht, sondern habe einen

Weitere Kostenlose Bücher