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Verbannte der Ewigkeit

Verbannte der Ewigkeit

Titel: Verbannte der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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wirklich, wenn du meine Gleichungen studiert hast.«
    »Ich meine auch nicht die Zeitmaschine, Ed, und auch nicht, daß du behauptest, sie bauen zu können. Was mir unglaublich erscheint, ist die Tatsache, daß du diese Erfindung einfach dem Regime in die Hände gibst. Siehst du nicht, welches Machtmittel es damit erhält? Man wird in der Zeit hin und herreisen und einfach die Großeltern der Leute umbringen, die den Syndikalisten heute Ärger bereiten, man wird die Vergangenheit, und damit die Zukunft beeinflussen …«
    »O nein, niemand wird in der Lage sein, in der Zeit hin und herzureisen. Meine Gleichungen behandeln nur die Reise in die Vergangenheit. Ich glaube auch nicht, daß eine Reise in die Zukunft möglich ist. Entropie bleibt Entropie, sie kann nicht umgedreht werden, wie man das vielleicht gern hätte. Die Zeitreise wird eine Einbahnstraße bleiben, was sie ja heute für uns schon ist. Es ist unmöglich, den Zeitfluß nach vorn zu beschleunigen.«
    Barrett verstand vieles von dem, was Hawksbill noch erzählte, nicht, aber er hatte das ungute Gefühl, daß der Mathematiker kurz vor dem Durchbruch stand, und daß die Möglichkeit der Reise in die Vergangenheit in wenigen Jahren in den Händen der Regierung liegen würde. Nun, dachte er, die Welt lebt trotz Einstein und Oppenheimer weiter, sie wird es auch trotz eines Edmond Hawksbill tun, irgendwie.
    Barrett wollte noch weitere Fragen stellen, aber in diesem Augenblick kam Jack Bernstein herein, und Hawksbill erinnerte sich jäh an seine Geheimhaltungspflicht und wechselte das Thema.
    Bernstein war, wie auch Hawksbill, seit Jahren von der Bewegung immer mehr entfremdet worden. Nach der Verhaftungswelle von 1994 hatte er sich zurückgezogen, und Barrett hatte ihn in den verflossenen vier Jahren vielleicht ein dutzendmal gesehen. Ihre Treffen verliefen kühl und unpersönlich, und manchmal erschien es Barrett, als habe er von den heißen, stundenlangen Diskussionen in Jacks kleiner, mit Büchern vollgestopften Wohnung nur geträumt. Ihre langen Diskussionen, die Anfänge im Untergrund – war das alles nicht mehr wahr? Die Vergangenheit schälte sich langsam von Barrett ab wie eine vertrocknete Haut, und seine Jugendfreundschaft zu Jack Bernstein hatte mit als erstes daran glauben müssen.
    Bernstein war jetzt unnahbar und eiskalt, er hätte genausogut aus Stein sein können. Er hatte nie geheiratet oder nur eine feste Freundin gehabt. Seit er den Untergrund verlassen hatte, hatte er Jura studiert, ein Appartement in einem vornehmen Viertel bezogen und war viel beruflich unterwegs. Barrett hatte nie verstanden, warum er in letzter Zeit wieder des öfteren auftauchte; sicherlich nicht aus freundschaftlichen Gefühlen und auch nicht deshalb, weil er die Bewegung unterstützen wollte. Vielleicht lockte Hawksbill ihn an, obwohl man sich den kühlen und selbstsicheren Jack kaum als Heldenverehrer vorstellen konnte.
    Er kam, saß und trank, sagte hin und wieder ein paar Worte. In seinem Blick lag immer etwas Unstetes, man hatte den Eindruck, als müsse er mühsam einen seelischen oder körperlichen Schmerz unterdrücken. Barrett wurde in seiner Nähe meist ungemütlich – er hatte immer das Gefühl gehabt, daß Jack von bösen Dämonen geritten würde, inzwischen schien es aber so, als ob diese Dämonen ausbrechen und alle in ihrer Umgebung sich Befindenden verschlingen wollten.
    Es verwunderte Barrett auch nicht, daß Bernstein die Ansichten Hawksbills über die Sinnlosigkeit der Bewegung teilte; meist lächelte er nur so, als wäre er über die Kindereien der Gruppe erhaben. Einmal allerdings kam er aus seiner Reserve heraus. Pleyel, der sich inzwischen ganz in seinen intellektuellen Elfenbeinturm zurückgezogen hatte und dort das kommende Paradies auf Erde plante, betrat den Raum. Er trug jetzt einen langen weißen Bart und nickte Bernstein geistesabwesend zu, so, als wüßte er nicht, wer er war.
    »Guten Abend, Kamerad«, sagte Bernstein. »Was macht die Revolution?«
    »Wir kommen ihr langsam näher«, sagte Pleyel sanft.
    »Ja, ja, eine wunderbare Strategie! Wir warten die nächsten zehn Generationen, bis die Syndikalisten aussterben, dann schlagen wir ganz fürchterlich zu!«
    Pleyel sah in verwirrt an, lächelte dann und wandte sich ab, um sich mit Valdosto zu unterhalten, offensichtlich unberührt von Jacks bitterem Sarkasmus. Barrett war wütend. »Wenn du eine Zielscheibe für deinen Spott suchst, Jack, dann nimm bitte mich.«
    Bernstein lachte

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