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Titel: Verblendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stieg Larsson
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an ein älteres Paar vermietet, das früher leitende Positionen im Konzern gehabt hatte. Sie waren in den achtziger Jahren auf die Hedeby-Insel gezogen und hatten mit Harriets Verschwinden nichts zu tun. Das nächste Haus gehörte Birger Vanger, dem Bruder von Cecilia. Das Haus stand seit mehreren Jahren leer, da Birger sich in einem modernen Einfamilienhaus in Hedestad niedergelassen hatte.
    Die meisten Häuser an der Straße waren solide Steinbauten, die zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts gebaut worden waren. Das letzte Haus unterschied sich im Charakter von ihnen: Es war ein modernes, architektonisch ambitioniertes Einfamilienhaus aus weißem Backstein mit dunklen Fensterrahmen. Es war schön gelegen, und Mikael konnte erkennen, dass die Sicht aus dem Obergeschoss grandios sein musste, aufs Meer im Osten und auf Hedestad im Norden.

    »Hier wohnt Martin Vanger, Harriets Bruder und Geschäftsführer des Konzerns. Früher stand auf diesem Grundstück Otto Falks Pfarrhaus, aber das Gebäude wurde bei einem Brand in den siebziger Jahren teilweise zerstört. Martin baute sich dieses Haus 1978, als er die Geschäftsführung übernahm.«
    Am östlichsten Ende der Straße wohnten Gerda Vanger, die Witwe eines Bruders von Henrik, und ihr Sohn Alexander.
    »Gerda ist kränklich, sie leidet unter Rheumatismus. Alexander hat einen kleinen Anteil am Vanger-Konzern, betreibt aber ein paar eigene Unternehmen, Restaurants unter anderem. Er verbringt jedes Jahr ein paar Monate auf den Westindischen Inseln, auf Barbados, wo er einiges an Geld in die Touristikbranche gesteckt hat.«
    Zwischen Gerdas und Henriks Haus befand sich ein Grundstück mit zwei kleineren Gebäuden, die leer standen und als Gästehäuschen dienten, wenn Familienmitglieder zu Besuch kamen. Auf der anderen Seite von Henriks Anwesen stand ein Haus, das von einem weiteren pensionierten Angestellten des Unternehmens gekauft worden war. Er bewohnte es mit seiner Frau; es stand jedoch leer, wenn das Paar den Winter in Spanien verbrachte.
    Sie waren wieder an der Kreuzung angekommen, damit war ihr Rundgang abgeschlossen. Es begann schon zu dämmern. Mikael ergriff die Initiative.
    »Ich kann immer nur wiederholen, Henrik: Diese ganze Geschichte hier wird sich nicht lohnen. Aber ich werde tun, wofür Sie mich eingestellt haben. Ich werde behaupten, dass ich Ihre Biografie schreibe, und werde Ihrem Wunsch entsprechend das gesamte Material über Harriet so sorgfältig und kritisch durchlesen, wie ich nur kann. Ich möchte nur, dass Sie sich darüber im Klaren sind, dass ich kein Privatdetektiv bin. Setzen Sie also keine überhöhten Erwartungen in mich.«
    »Ich erwarte gar nichts. Ich will nur einen letzten Versuch unternehmen, die Wahrheit herauszufinden.«
    »Gut.«
    »Ich bin ein Nachtmensch«, erklärte Vanger, »und werde immer ab Mittag für Sie erreichbar sein. Ich lasse Ihnen ein Arbeitszimmer hier oben einrichten, über das Sie frei verfügen können.«
    »Nein, danke. Ich habe schon ein Arbeitszimmer im Gästehaus, und dort werde ich auch arbeiten.«
    »Wie Sie wollen.«
    »Unsere Gespräche könnten wir in Ihrem Arbeitszimmer führen. Aber heute Abend werde ich Sie noch nicht mit Fragen bestürmen.«
    »Ich verstehe.« Der alte Mann wirkte verräterisch schüchtern.
    »Es wird ein paar Wochen dauern, das ganze Material zu sichten. Wir arbeiten an zwei Fronten. Ich schlage vor, wir treffen uns täglich für ein paar Stunden, in denen ich Sie interviewe und Material für Ihre Biografie sammle. Wenn Fragen zu Harriet auftauchen, werde ich sie mit Ihnen besprechen.«
    »Das klingt vernünftig.«
    »Ich werde sehr frei arbeiten und keine festen Arbeitszeiten einhalten.«
    »Sie arbeiten ganz nach Ihren Vorstellungen.«
    »Sie wissen ja, dass ich in ein paar Monaten ins Gefängnis muss. Ich weiß nicht, wann das aktuell wird, aber ich werde keine Berufung einlegen. Das heißt, dass es wahrscheinlich irgendwann im Laufe des Jahres so weit sein wird.«
    Henrik Vanger runzelte die Stirn.
    »Das passt schlecht. Das Problem müssen wir lösen, wenn es so weit ist. Sie können Aufschub beantragen.«
    »Wenn ich bis dahin genügend Material beisammen habe, kann ich im Gefängnis an dem Buch über Ihre Familie weiterarbeiten. Aber darum kümmern wir uns, wenn die Zeit gekommen ist. Noch etwas: Ich bin immer noch Teilhaber bei Millennium , und das Magazin steckt in der Krise. Wenn irgendetwas vorfällt, das meine Anwesenheit in Stockholm nötig macht, werde ich die

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