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Verborgen im Niemandsland

Verborgen im Niemandsland

Titel: Verborgen im Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
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gegen die Kräfte der Strömung zu behaupten und so rasch wie möglich ans andere Ufer zu kommen. Denn im Gegensatz zu Terence Rigby konnte er es sich nicht erlauben, sich weit flussabwärts treiben zu lassen und sich allmählich auf die andere Seite hinüberzukämpfen. Die Länge der Leine setzte seinem Spielraum enge Grenzen. Wenn er sich zu weit abwärts mitziehen ließ, reichte die Leine allein nicht mehr, und dann würde er das Seil schon in den Fluss ziehen, während er noch schwamm. Das würde zwangsläufig das Scheitern seines Versuches zur Folge haben. Ein schweres Seil, das sich mit Wasser voll sog und dadurch sein Gewicht vervielfachte, konnte er unmöglich schwimmend hinter sich herziehen. Schon jetzt übte die dünne Leine, die Silas rasch nachgab, einen enormen Zug aus, der zusammen mit der Strömung seine ganze Kraft erforderte, um nicht wieder zurück an das Ufer gespült zu werden, von dem er aufgebrochen war.
    Verbissen kämpfte er sich voran. Als er die Mitte des Flusses erreicht hatte, verfing sich ein vorbeitreibender Strauch, den der Muddy River irgendwo am Ufer unterspült und mit sich gerissen hatte, hinter ihm in der Leine. Der Ruck zog ihn unter Wasser. Er verschluckte sich, kam hustend und prustend wieder an die Oberfläche und vergeudete kostbare Zeit und Kraft, um die Leine wieder freizubekommen.
    Allmählich wurden ihm die Arme lahm. In seinem Brustkorb peinigten ihn schmerzhafte Stiche und jeder Atemzug tat weh. Minuten wurden ihm zu einer endlosen Zeit der Quälerei. Mehrfach gelang es ihm nur in letzter Sekunde, einem Stück Treibholz auszuweichen, das wie ein Geschoss auf ihn zuhielt und im dunklen schlammbraunen Wasser und im trüben Licht des regnerischen Nachmittags kaum früh genug auszumachen war.
    Als er schon meinte, die Tortur nicht länger aushalten zu können, aufgeben und sich der Strömung überlassen zu müssen, bis man ihn an der Leine wieder ans sichere Ufer gezogen hatte, spürte er plötzlich, wie der Muddy River seinen zerrenden Griff um ihn lockerte. Er mobilisierte seine letzten Kraftreserven und befreite sich wenig später aus der drohenden Umklammerung der Strömung. Und dann stießen seine Füße auf festen Grund.
    Lauter Jubel und Hurrarufe drangen von der anderen Flussseite zu ihm herüber, als er vornübergebeugt durch das seichte Uferwasser watete, die Leine dabei mit letzter Kraft hinter sich herzog und an Land taumelte. Dort sackte er erst einmal in den nassen Sand, um zu Atem zu kommen, bevor er sich wieder aufrappelte, den kleinen, gottlob nur sanft ansteigenden Hang hochwankte und das Ende der Leine schließlich um einen Baum wickelte und gut verknotete.
    Vom anderen Flussufer winkten ihm die Siedler begeistert zu, weil er das, was sich niemand sonst zugetraut hatte, geschafft hatte.
    Erschöpft winkte Andrew kurz zurück und begab sich dann flussabwärts auf die Suche nach Terence Rigby, voller Sorge, ob es ihm ebenfalls gelungen war, über den Fluss zu kommen, oder ob er wohl aufgegeben hatte oder womöglich mit dem Ertrinken kämpfte.
    Er fand ihn fast eine ganze Meile weiter flussabwärts – doch immerhin auf der Westseite des Muddy River. Völlig ausgelaugt lag er rücklings am Ufer, alle viere von sich gestreckt und mit den Füßen noch im Wasser.
    »Na, abgekämpft?«, fragte Andrew mit gutmütigem Spott und sank mit einem unterdrückten Aufstöhnen neben ihm in den nassen Sand.
    Terence wandte ihm nur den Kopf zu und verzog das Gesicht zu einem schiefen Grinsen. »Ja, so erledigt, dass ich mich lieber einmal kielholen lasse, als dasselbe noch mal zu versuchen!«, erwiderte er. »Himmel, wie oft habe ich gedacht, gleich wie eine räudige Ratte auf einem sinkenden Schiff absaufen zu müssen! Und ich Schwachkopf habe mich dafür auch noch freiwillig gemeldet!« Mühsam setzte er sich auf. »Ich sage dir, fortan werde ich mich nie mehr darüber beklagen, wenn mir der Hintern von all den Stunden im Sattel oder auf dem harten Kutschbock so wehtut, als hätte mir ein verfluchter Rotrock das gute Stück mit der Peitsche blutig geprügelt!«
    Andrew lachte. »Ja, bevor man mit dem Klagen anfängt, sollte man wirklich immer erst seine Segnungen zählen und sich die Alternativen vor Augen halten.«
    Sie gönnten sich noch einige Minuten zum Verschnaufen, dann begaben sie sich an die Stelle, wo Andrew die Leine am Baum gesichert hatte.
    Terence Rigby atmete tief durch. »So, und jetzt zum zweiten Teil unseres fröhlichen Ausflugs über den Muddy River!

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