Verborgen im Niemandsland
Liam. »Oder könnt ihr da irgendwo Regenwolken erkennen?«
Nein, wie sehr sie auch in die Richtung starrten, in die Taipan immer wieder deutete, keiner von ihnen konnte weit und breit auch nur eine einzige dunkle Wolke am Himmel ausmachen, die Regen hätte bringen können.
»Dooloomai!... Doon-garara!«, sagte Taipan warnend. »Dooloomai!... Doon-garara!... Murinmelin mia-mia tuyu-lawarrin!«
Sean runzelte die Stirn, blaffte Taipan an und sagte dann, zu Liam und Francis gewandt: »Jetzt versucht er uns doch glatt weiszumachen, dass es hier gleich heftig donnern und blitzen wird, wir also mit einem schweren Gewitter zu rechnen haben, und dass wir uns schleunigst irgendwo einen geschützten Lagerplatz suchen sollen!«
»Das ist doch bloß ein billiger Trick, um den Preis hochzutreiben!«, sagte Francis abfällig.
»Na klar, der will seine Pulle Fusel schon jetzt!«, rief Liam.
Wütend redete Sean auf Taipan ein, doch dieser zeigte sich völlig unbeeindruckt. Und als der Buschbandit ihm drohend den Gewehrlauf vor die Brust stieß, starrte ihm Taipan einen Moment lang in die Augen, drehte sich dann wortlos um und lief weiter.
»Na also!«, sagte Francis höhnisch. »Zuckerbrot und Peitsche, das ist die einzige Sprache, die dieses braune Pack versteht!«
Taipan lief in großer Eile auf ein großes Waldstück zu, das sich wie eine graugrüne Wand zu ihrer Linken von Nordwesten nach Südosten erstreckte.
Erst als der Eingeborene sich schon bis auf wenige Dutzend Schritte dem Waldsaum genähert hatte, beschlich Sean das argwöhnische Gefühl, dass der Wagentreck unmöglich diesen Weg genommen haben konnte. Die Bäume und das Gestrüpp standen so dicht, dass kein Treckführer auf die Idee gekommen wäre, hier einen passablen Durchgang zu finden. Zudem hatten die Spuren bisher doch geradewegs nach Südwesten gezeigt!
»He, was soll das, Taipan?«, brüllte er ihm zu. »Alleari!... Hast du nicht gehört ? Bleib gefälligst stehen!... Verdammt noch mal, bleib sofort stehen!... Oder ich jage dir eine Kugel in deinen fetten Arsch!«
Taipan gab nichts auf die Drohung, die Sean ihm auch noch auf Aborigine zurief. Ohne auch nur einen Blick zurückzuwerfen, lief er weiter.
Sean riss das Gewehr hoch, zögerte dann jedoch, würde der Schuss doch meilenweit zu hören sein. Und dann war der kurze Augenblick, in dem er einen Schuss auf Taipan hätte abgeben können, auch schon verstrichen. Der Eingeborene brach durch das Unterholz und war im nächsten Moment außer Sicht.
»Verdammt!«, fluchte Sean und hieb mit der Faust auf den Sattel.
Sie setzten ihm nach, doch alle Versuche, ihren Spurenleser in dem tiefen Waldstück aufzustöbern, erwiesen sich als erfolglos.
Dass sich der Himmel indessen bedrohlich verdunkelt hatte, bemerkten sie erst, als sie ihre Suche schließlich einstellten und aus den tiefen Schatten der Bäume wieder ins Freie kamen. Ungläubig starrten sie nach Osten, wo nun eine tief hängende Wolkenwand jegliches Tageslicht erstickte und wie eine gigantische Wolke auffliegender Asche heranflog.
»Wie kann der Kerl das bloß gesehen haben?«, rätselte Liam fassungslos. »Am Himmel war doch nicht das Geringste zu erkennen gewesen! Und der Teufel soll mich auf der Stelle holen, wenn ich nicht gute Augen habe!«
Francis schüttelte sprachlos den Kopf.
Als der Regen einsetzte und sich unter Donnergetöse und wild aufzuckenden Blitzen rasch in eine wahre Sturzflut verwandelte, stieß Sean einen lästerlichen Fluch nach dem anderen aus. Die herabstürzenden Wassermassen würden alle Spuren des Wagentrecks unkenntlich machen. Und dazu noch beschlich ihn die Ahnung, dass sie nicht damit rechnen durften, Taipan nach dem Unwetter wieder zu Gesicht zu bekommen. Es war ein Fehler gewesen, ihm das Gewehr vor die Brust zu rammen und ihm zu drohen, ihn mit einem Schuss in den Rücken wie einen räudigen Hund niederzuknallen. Taipan mochte ein haltloser Säufer sein, der seine Einsamkeit und seinen Kummer darüber, dass ein Strafkommando der Rotröcke seine gesamte Sippe samt Frauen und Kindern vor Jahren blindlings am Stone Quarry Creek niedergemetzelt hatte, in Rum zu ertränken versuchte. Aber ganz hatte er seinen Stolz offenbar nicht verloren.
Nein, dass Taipan nach dem Gewitter aus seinem Versteck auftauchte und wieder die Fährte dieser mysteriösen Leute mit den vielen Wagen aufnahm, daraufbrauchten sie gewiss nicht zu rechnen...
Elftes Kapitel
Während der ersten Tageshälfte machten die Siedler mit dem
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