Verborgen im Niemandsland
Auf seiner rechten Stirn klaffte eine breite Wunde, aus der noch Blut sickerte.
»Es tut mir Leid«, sagte Andrew, dem nicht nur seine Erschöpfung anzumerken war, sondern auch die große Niedergeschlagenheit, dass er ihren Vater nicht hatte retten können. »Er war schon tot, als ich ihn endlich zu fassen bekommen habe. Der Ochse muss ihn mit einem Huf am Kopf getroffen haben.«
Aufschluchzend warf sich Emily über den Leichnam ihres Vaters, umklammerte und wiegte ihn in ihren Armen wie ein Baby.
Abby blieb an ihrer Seite, um ihr in dieser schrecklichen Stunde stummen Beistand zu schenken. Nach ihrer Mutter und ihren beiden Brüdern hatte Emily nun auch den Vater, den Letzten ihrer Familie, verloren.
Wortlos standen die Männer daneben und blickten auf den Toten hinunter. Der Treck ins Niemandsland hatte sein erstes Opfer gefunden. Und jeder fragte sich im Stillen, was ihnen wohl noch an tragischen Todesfällen bevorstand - und wen es als Nächstes treffen würde.
Zwölftes Kapitel
An weitere Überfahrten mit dem Vieh war an diesem Tag nicht mehr zu denken. Am nächsten Morgen, der wieder trockenes Wetter brachte, fand die Beerdigung von Thomas McGregor statt.
Abby übernahm es, Emily klar zu machen, dass die besonderen Umstände ihres Trecks es erforderlich machten, ihren Vater versteckt und ohne ein Grabkreuz zwischen Büschen zu beerdigen.
»Später, wenn in der Kolonie andere Zeiten angebrochen sind und wir die Nachstellungen des New South Wales Corps nicht länger zu fürchten brauchen, werden wir deinen Vater an einem anderen, würdigeren Ort zur letzten Ruhe betten. Und dann wird er auch ein Grabkreuz bekommen«, versuchte sie das Mädchen zu trösten, wohl wissend, wie schwach dieser Trost war, vermochte doch keiner zu sagen, wo das Ende ihres Trecks lag. »Aber bis dahin muss sich alles der Sicherheit der Siedler unterordnen, die an diesem Zug in die Wildnis beteiligt sind. Ich hoffe, du verstehst das.«
Emily nickte nur, sichtlich betäubt von Kummer und Hilflosigkeit angesichts der Katastrophe, die ihr auch den Letzten ihrer Familie genommen und sie am Muddy River zur Waisen gemacht hatte.
Glenn Osborne und Timothy O'Flathery hoben ein gutes Stück von der Fährstelle entfernt das Grab zwischen zwei hohen Sträuchern aus, deren weit verzweigte Äste sie zu diesem Zweck mit Stricken zur Seite banden. Damit wilde Tiere das Grab nicht aufscharren konnten, sorgten sie für eine bedeutend tiefere Grube, als es bei gewöhnlichen Bestattungen der Fall war.
Andrew und Silas Mortlock teilten sich die Aufgabe, Thomas McGregor mit einer schlichten, aber ergreifenden Zeremonie zu beerdigen. Silas Mortlock, der den Toten schon vor Beginn des Trecks gekannt hatte und besser als alle anderen mit der tragischen Geschichte der Familie vertraut war, sagte am offenen Grab einige warmherzige Worte über Emilys Vater.
Im Anschluss daran las Andrew eine Stelle aus der Bibel vor. Er beendete die kurze Feierlichkeit mit den Worten: »Asche zu Asche, Staub zu Staub. Möge der Herr seiner Seele gnädig sein und ihr Einlass in die ewige Herrlichkeit gewähren. Amen.«
»Amen«, antwortete bedrückt der Chor der versammelten Männer, Frauen und Kinder, die im Halbkreis um die versteckte Grabstelle Aufstellung genommen hatten.
Emily, der die Tränen ohne Unterlass über das Gesicht rannen, warf eine Hand voll feuchter Erde auf den Leichnam ihres Vaters, der, in Segeltuch eingewickelt, in der Grube lag. Dann schaufelten Glenn Osborne und Vernon Spencer das Grab zu, achteten jedoch darauf, dass dabei keine Erhebung entstand, die verraten konnte, dass an dieser Stelle jemand beerdigt lag. Sie bedeckten die Stelle mit Unterholz, lösten die Stricke, sodass die tief hängenden Äste wieder in ihre vorherige Stellung zurückschwangen und sich über das Grab legten, und warfen die restliche Erde in die umliegenden Büsche.
Dann machten sich die Männer wieder daran, das restliche Vieh mit dem Floß über den Fluss zu bringen, was ohne jeden Zwischenfall gegen Mittag vollbracht war. Anschließend verwandten die Siedler viel Zeit darauf, ihre Spuren am Ostufer so unkenntlich wie möglich zu machen, besonders den Weg von dort, wo sie die Bäume gefällt hatten, bis zum Ufer hinunter.
»Wir werden das Floß später sicherlich noch einmal brauchen, können es aber unmöglich hier am Ufer zurücklassen, wo es sofort ins Auge fällt«, sagte Silas Mortlock. »Wir müssen es gut verstecken.«
Mithilfe von zwei Ochsen zogen sie
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