Verborgen im Niemandsland
köstliche Nass aufgesogen. Und jetzt, am frühen Morgen am Tag nach dem Christfest, wölbte sich der Himmel wieder wie eine makellos klare Kuppel aus blauem Glas hoch über dem Frangipani Valley.
Die Siedler hatten sich schon im ersten Dämmerlicht auf Bungaree eingefunden, um beim Aufbruch von Abby, Andrew, Terence und Douglas zugegen zu sein und ihren Gefährten eine sichere Reise in die Kolonie und zurück zu wünschen.
»Macht euch keine Sorgen um Bungareel«, versicherte Deborah noch einmal, an Abby und Andrew gewandt. »Nicht eine Arbeit, die getan werden muss, wird unerledigt bleiben. Ihr werdet bei eurer Rückkehr alles so vorfinden, wie wenn ihr selbst für eure Farm gesorgt hättet! Ihr habt unser Wort!«
Stanley, der mit Emily hinter seiner Mutter stand und seinen Arm um seine frisch Verlobte gelegt hatte, nickte nachdrücklich. »Wir wissen, was wir Ihnen schuldig sind, und werden Sie nicht enttäuschen!«, versprach auch er.
Andrew lächelte. »Danke, und wir wissen, dass wir uns auf euch verlassen können.«
Rosanna trat mit dem kleinen Jonathan auf den Armen zum Wagen und reichte ihn noch einmal zu Abby hoch, die ihn an sich drückte und herzte. Mit schläfrigem Gleichmut ließ Jonathan die mütterlichen Liebkosungen über sich ergehen. Ihren Sohn zurückzulassen war für Abby das Schwerste, das sie sich mit ihrer Teilnahme an der Reise in die Kolonie auferlegte. Aber es musste sein, wollte sie doch nicht von Andrew für so quälend lange Wochen getrennt sein und sich Stunde um Stunde das Hirn darüber zermartern, wie es ihm erging - und ob er wohl auch zu ihr zurückkehren werde. Und Rosanna war eine wunderbare Amme, wie sie und Andrew sie sich nicht besser wünschen konnten.
Douglas, der wie Terence schon Abschied von seinen Lieben genommen hatte und im Sattel seines Pferdes saß, räusperte sich. »Wir sollten dann mal los«, drängte er sanft.
»Ja, es wird Zeit«, sagte nun auch Andrew, nahm die Zügel des Gespanns auf und schnalzte mit der Zunge, worauf sich die beiden Rotfüchse bereitwillig in Bewegung setzten.
Die Siedler, die in den vergangenen neun Monaten trotz ihrer unterschiedlichen Temperamente und Eigenheiten zu einer verschworenen Gemeinschaft zusammengewachsen waren, öffneten für die beiden Reiter und den nachfolgenden Wagen mit Abby und Andrew auf dem Kutschbock eine Gasse. Fast standen sie Spalier.
»Gottes Segen!«
»Hals-und Beinbruch, Freunde!«
»Geht bloß kein unnötiges Risiko ein!«
»Ihr werdet es schon machen!«
»Unsere Gebete werden euch begleiten!«
Diese und andere gute Wünsche und Zurufe begleiteten sie, während sie den Hof von Bungaree hinter sich ließen. Einige der kleineren Kinder liefen noch eine Weile neben dem Wagen her und winkten. Dann blieben auch sie zurück, und die kleine Gruppe hielt auf die Berge zu, die im Nordosten das Tal abschlössen.
Sie behielten ein mäßiges Tempo bei, das die Pferde schonte. Es gab keinen Grund, sie jetzt schon zu fordern. Beständigkeit war vorerst wichtiger als Schnelligkeit. Auch wusste man nie, wann man sich gezwungen sah, sich auf die Kraftreserven der Pferde zu verlassen. Später, wenn sie sich in den Bergen befanden und dort so manche Steigung und Serpentine zu bewältigen hatten, wurden zudem alle Kräfte gebraucht.
Am frühen Nachmittag überquerten sie den ersten Pass. Sie warfen noch einen letzten Blick zurück in das Tal, das ihnen allen zur neuen Heimat geworden war. Niemand sprach ein Wort, aber jeden beschäftigten dieselben Gedanken, nämlich wann sie wieder hier oben stehen und ihre Farmen, wo ihre Frauen und Kinder ihre Rückkehr schon seit Wochen sehnlichst erwarteten, wieder dort unten vor sich liegen sehen würden - und dann hoffentlich mit einem ungleich schwereren Wagen, der mit neuen Vorräten an Salz, Tee und anderen wichtigen Dingen reich beladen war.
Eine Stunde vor Einbruch der Dunkelheit passierten sie die Engstelle, wo Henry Blakes Gespann in die tiefe Schlucht gestürzt war. Von dem Pferdekadaver wie von Henrys Leiche war nichts mehr zu sehen.
»Die Aasgeier und Dingos haben ganze Arbeit geleistet«, sagte Douglas trocken.
Abby war insgeheim froh, dass ihr der Blick auf die verweste Leiche von Henry Blake erspart geblieben war. Auch sie ging wie Douglas, Terence und Andrew ganz selbstverständlich davon aus, dass Wildhunde den Leichnam unter den Trümmern hervorgezerrt und irgendwohin verschleppt hatten, wo dann Käfer, Ameisen, Würmer und anderes Kleingetier sich über
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